piwik no script img

Archiv-Artikel

Keine Kanonen mehr

§ 129 a wurde teilweise entschärft. Gewalt gegen Sachen kann künftig nicht mehr als Terrorismus verfolgt werden

FREIBURG taz ■ „Koalition verschärft die Anti-Terror-Gesetze“, meldeten die Agenturen am Freitag. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. In wichtigen Punkten wurde Paragraf 129 a des Strafgesetzbuches auf Druck der Grünen eher entschärft. Autonome Kleingruppen, die Gewalt gegen Sachen begehen, können künftig kaum noch als Terroristen stigmatisiert werden.

Die Reform geht auf eine Vorgabe der EU zurück, die tatsächlich einige Verschärfungen erforderte. Als Terrorismus können künftig auch das Verbreiten von Gift, Computersabotage oder die schwere Körperverletzung gelten. Die Höchststrafe für die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung wurde von 5 auf 10 Jahre erhöht. Im Gegenzug verlangten die grünen Rechtspolitiker Jerzy Montag und Christian Ströbele, dass das deutsche Recht auch dort angeglichen wird, wo die EU-Anforderungen niedriger sind.

Künftig kommt es deshalb darauf an, ob die ausgeführten Taten auch geeignet waren, „den Staat oder eine internationale Organisation ernsthaft zu gefährden“. Wenn es wie in Magdeburg (siehe oben) nur um kleinere Brandanschläge gegen Autos und Gebäude geht, kann in Zukunft also kaum noch von „Terrorismus“ gesprochen werden. „Einen Großteil der 129 a-Verfahren der letzten 15 Jahre hätte es nicht gegeben, wäre das Gesetz schon immer so formuliert gewesen“, sagt der Berliner Strafverteidiger Ulrich von Klinggräff. „Da wurde meistens mit Kanonen auf Spatzen geschossen.“

Strafbar bleiben Brandanschläge natürlich auch in Zukunft. Außerdem können militante Gruppen weiterhin als „kriminelle Vereinigung“ verfolgt werden. Nicht mehr zulässig sind aber bestimmte Anti-Terror-Maßnahmen wie die Inhaftierung von Verdächtigen, ohne dass Flucht- und Verdunkelungsgefahr besteht.

Der § 129 a wurde 1976 ins Strafgesetzbuch aufgenommen. 1986 wurde er so verschärft, dass auch autonome Gruppen und militante AKW-Gegner unter den Terror-Begriff fallen. Der Paragraf führt selten zu Verurteilungen, dient aber häufig zur Rechtfertigung von Ermittlungen. Seit 2002 werden auch ausländische „terroristische Vereinigungen“ verfolgt. Dafür wird nicht mehr jede „Werbung“ für terroristische Vereinigungen bestraft, sondern nur noch die „Werbung um Mitglieder und Unterstützer“. CHRISTIAN RATH