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Archiv-Artikel

Shoot the Dog – and recut

„Inside Hollywood“ von Barry Levinson ist noch eine Hollywoodsatire aus Hollywood

In der Komödie „Der Rosenkrieg“ von 1990 wird ein Scheidungskrieg so blutig, dass Kathleen Turner den Hund von Michael Douglas zu pâté verarbeitet. Dies entsetzte aber die Zuschauer bei Testvorführungen so, dass am Ende des Films eine kurze Aufnahme von dem wohlbehaltenen Haustier eingeschnitten wurde, so dass als Konsequenz zwar Herrchen und Frauchen starben, der süße Hund aber überlebte. Seitdem sind in Hollywoodfilmen Hunde und Katzen unsterblich. Selbst bei Kanarienvögeln kennt man zwar das Bild von der geöffneten Käfigtür und dem satt schnurrenden Kater, aber im letzten Akt flattert garantiert das Opfer fröhlich piepend am Fenster vorbei. Dies ist eine der vielen Konventionen Hollywoods, die Barry Levinson in seinem neuen Film auf die Schippe nimmt.

Hier führt ein neues wildes Regietalent von außerhalb (eine Mischung aus Alex Cox und Lee Tamahori) den Produzenten und Studiobossen den vermeintlichen Endschnitt seines neuen Actionfilms vor, und dabei wird nicht nur der von Sean Penn gespielte Held brutal erschossen, sondern auch sein treuer Hund. Alle Hollywood-Insider wissen sofort, dass dies auch für die Kasse der Todesschuss ist, aber der bis dahin vom Studio so hofierte Filmemacher besteht auf seiner künstlerischen Integrität und weigert sich, den Film umzuschneiden. Ähnlich gravierende Probleme hat das Studio mit Bruce Willis, der sich kurz vor den Dreharbeiten eines seiner Starvehikel weigert, den unansehnlichen Rauschebart abzurasieren. Penn und Willis spielen sich selber und haben sichtlich viel Spaß daran, sich selber zu parodieren Aber Robert de Niro ist in der Rolle des Produzenten Ben zu sehen, der bei diesen Problemen und noch vielen mehr als Punchingball zwischen Star und Studio fungiert und in entsprechend prekäre Situationen gerät. Die Irritation darüber, wer denn nun sich selber und wer eine fiktive Rolle spielt, ist eines der Probleme des Film, gibt ihm aber gleichzeitig auch eine andere, so eher ungewollte, Ebene. Konsequenter wäre es sicher für den Film gewesen, wenn ein eher unbekannter Schauspieler diese Rolle bekommen hätte. Aber wenn Sean Penn und Bruce Willis in Nebenrollen auftreten, muss die Hauptrolle von einem mindestens so großen Namen ausgefüllt werden. Außerdem spielte De Niro in „Wag the Dog“ ein ähnliches Schlitzohr, und dies war ebenfalls eine Satire über die Unterhaltungsindustrie vom gleichen Regisseur.

Und leider auch ein viel besserer Film, denn „Inside Hollywood“ basiert zwar auf den Erinnerungen des Produzenten Art Linson „What just happened: Bitter Hollywood Tales from the Front Line“, aber wirklich bissig ist diese Abrechnung mit dem intriganten Filmgeschäft nie. Die Hollywoodsatire ist ja schon fast ein Subgenre, doch radikal das System in Frage stellten bislang nur die wenigsten. Nathaniel Wests „Der Tag der Heuschrecke“ war so bitter, dass Hollywood die Adaption auch prompt verhunzt hat und Robert Altmans „The Players“ war in der Branche extrem verhasst – er muss also getroffen haben. „Inside Hollywood“ (dies ist übrigens der deutsche Titel von „What Just Happened“ – auch solch eine Entscheidung aus dem Verleihbüro) ist dagegen enttäuschend zahm und affirmativ. Catherine Keener ist in der Rolle einer eiskalten Studiochefin so souverän wie immer; John Turturro und Stanley Tucci sind als Agent mit Magenproblemen und snobistischer Drehbuchautor gewohnt komisch. Aber keiner von ihnen ist so genau und gnadenlos gezeichnet, dass irgendein getroffener Hund bellen würde.WILFRIED HIPPEN