: Taschengeld statt Förderung
Land will frauenpolitische Akteurinnen an Hartz IV-Reformen beteiligen. Gleichstellungsbeauftragte sprechen von bis zu 150.000 Frauen in NRW, die völlig aus jedem Leistungsbezug herausfallen
VON NATALIE WIESMANN
Um Benachteiligungen von Frauen durch Hartz IV zu vermeiden, soll beim Aufbau der regionalen Arbeitsgemeinschaften zwischen Sozialämtern und Bundesagentur von Beginn an frauenpolitischer Sachverstand eingebunden werden. Das sagte Landesfrauenministerin Birgit Fischer (SPD) in einer Sitzung des Ausschusses für Frauenpolitik gestern in Düsseldorf.
Vorbildlich sei das Vorgehen der frauenpolitischen Akteurinnen in der Emscher-Lippe-Region: Kommunale Gleichstellungsbeauftragte und die vom Ministerium eingerichteten Regionalstellen „Frau und Beruf“ würden sich dort in die verschiedenen Gremien zur Umsetzung von Hartz IV einbringen. Regelungsbedarf gibt es genug: Die Kommunen und Kreise müssen die Kinderbetreuung für Berufsrückkehrerinnen sicher stellen. Opfer von häuslicher Gewalt, die in ein Frauenhaus flüchten, sollen durch Hartz IV nicht noch weiter benachteiligt werden.
Letzteres hat auch der Bund erkannt, der zurzeit beim Hartz IV-Gesetz nachbessert: Für die Frauen in Notsituationen könnte dabei herauskommen, dass sie nicht nicht mehr als Bedarfsgemeinschaft mit ihrem schlagenden Mann gesehen werden und ihre Grundsicherung am Zufluchtsort erhalten. Weiterhin soll geregelt werden, wie lange Opfer von häuslicher Gewalt von dem Arbeitszwang bei Hartz IV verschont bleiben sollen.
„Die Reformen sind für viele arbeitslose Frauen auch eine Chance“, sagt Ulla Simon, Leiterin der Regionalstelle „Frau und Beruf“ in Recklinghausen. Alleinerziehende Sozialhilfebezieherinnen, die bisher nicht gefördert wurden, könnten in Zukunft leichter einen Arbeitsplatz finden. Auch könnten anspruchsvolle Ein-Euro-Jobs für höher gebildete Frauen eingerichtet werden, um den Berufseinstieg erleichtern.
„Die Einführung von Ein-Euro-Jobs“ vernichtet massenhaft Frauen-Arbeitsplätze“, glaubt dagegen Christine Weinbörner, Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft der Kommunalen Gleichstellungsbeauftragten in NRW. Denn Frauen stellten das meiste Personal im Pflegebereich und im Dienstleistungssektor, wo die meisten neuen Billig-Jobs eingerichtet würden. Wegen der Anrechnung des Partnereinkommens müssten viele arbeitslose Frauen demnächst ganz auf eigene Unterstützung verzichten. „Natürlich sind unter den Leidtragenden von Hartz IV auch ein paar arbeitslose Ehemänner von gut verdienenenden Lehrerinnen“, sagt Weinbörner. Doch die seien klar in der Minderheit.
Bundesweit wird die Zahl der heutigen Arbeitslosenhilfe-Empfängerinnen, die 2005 aus dem Leistungsbezug herausfallen auf 600.000 geschätzt, auf NRW heruntergerechnet sind das ungefähr 150.000 Frauen, die auf ein Taschengeld ihrer Lebenspartner angewiesen sind. „Schlimmer ist noch: Sie werden auch nicht gefördert“, so Weinbörner. Das „Kernstück der Reformen“ sei für Arbeitslosengeld II-Empfängerinnen reserviert.