: Stimme des kleinen Bruders
Nach der Entmachtung des Parteichefs führt jetzt Ursula Haubner die FPÖ – die Schwester von Jörg Haider
Ursula Haubner versucht es immer wieder klarzustellen. Sie sei weder das Sprachrohr noch die Statthalterin von Jörg Haider. Die vor 58 Jahren als Ursula Haider geborene Staatssekretärin im österreichischen Sozialministerium ist die ältere Schwester des Kärntner Landeshauptmanns. Sie muss sich diese Frage wohl weiter gefallen lassen. Eigens für sie wurde auf Haiders Anweisung das Amt der geschäftsführenden Parteivorsitzenden der FPÖ geschaffen.
Damit ist die Entmachtung von Sozialminister Herbert Haupt vollzogen, der nur noch formal als FPÖ-Vorsitzender amtiert. Niemand hat das deutlicher ausgedrückt als Haider. In einem Interview sprach er gestern bereits von der „neuen Parteichefin“. Haubner sei die „Garantie dafür, dass ein sehr kooperativer Führungsstil gepflogen wird“. Außerdem, so der kleine Bruder, verstehe sie sich gut mit den Vertretern der Bundesländer und genieße das Vertrauen der Basis. Gemeint sind die Landesfunktionäre, die schon lange nach der Rückkehr Jörg Haiders an die Parteispitze rufen.
Anders als Haider, der nie etwas anderes als Politik gemacht hat, ist seine ältere Schwester eine Spätberufene. Mehr als 20 Jahre lang fand sie ihre Erfüllung als Hauswirtschaftslehrerin im heimatlichen Oberösterreich. Sie heiratete einen Physiotherapeuten und zog zwei Töchter groß. Erst 1989 ließ sie sich in der Gemeinde Bad Hall zur lokalen FPÖ-Chefin wählen.
Dann ging es schnell berauf auf der politischen Karriereleiter. Schon fünf Jahre später wurde sie stellvertretende Landesparteiobfrau, nach einem weiteren Jahr Bundessprecherin der freiheitlichen Frauen. 1996 errang sie ein Landtagsmandat, und von 1997 bis 2003 saß sie für die FPÖ in der oberösterreichischen Landesregierung.
Bei der Neuauflage der ÖVP-FPÖ-Koalition im vergangenen März schaffte sie schließlich den Sprung in die Bundesregierung. Sie ist als Staatssekretärin für Familien und Generationen zuständig. Bisher ist sie dort kaum aufgefallen – weder durch große Reformwerke noch durch Mangel an Kompetenz.
Ursula Haubner tritt zwar gern im traditionellen Trachtenkostüm auf, doch ist ihr Frauenbild weniger verzopft als in der konservativen ÖVP oder bei mancher FPÖ-Parteigenossin. Zuletzt tat sie sich als Chefverhandlerin für das Elternrecht auf Teilzeitarbeit hervor. Stets ist sie für die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie eingetreten: „Mein Frauenbild ist das einer selbstbestimmten, unabhängigen Frau, die ihre Wahlfreiheit wahrnimmt, ob sie zu Hause ist oder Beruf und Familie vereinbart.“
Noch etwas unterscheidet die neue starke Frau in der FPÖ von ihrem kleinen Bruder: Sie ist keine Sprücheklopferin. Die gemäßigte Wortwahl gilt als Ausdruck politischer Mäßigung. Allerdings ist nicht bekannt, dass sie Jörg Haider jemals öffentlich kritisiert hätte. So wird sie als Sprachrohr und Statthalterin in der Parteiführung fungieren.
RALF LEONHARD