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Archiv-Artikel

Und immer an den 18. März denken!

Tag der Bürokraten oder Sieg der Demokratie? Alle Jahre wieder geht die Diskussion los: Ist der 3. Oktober ein gut gewähltes Datum für einen Nationalfeiertag? Manche hoffen auf eine europaweite Diskussion

Nein. Denn so wenig wie sich die Bevölkerung mit dem Staat identifiziert – fast die Hälfte der Wahlberechtigten nimmt nicht mehr an Wahlen teil – so wenig repräsentiert der 3. Oktober einen Tag, den die Menschen als „ihren Tag“ ansehen. Der 3. Oktober hat keine Seele, kein Herz und keinen Geist. Er markiert einen Verwaltungsakt. Er repräsentiert das Deutschland der Bürokraten. Er steht für Beitritt, Anschluss, Übernahme. Die Bürgerinitiative „Aktion 18. März“ hatte im Mai 1990 einen offenen Brief an alle Abgeordneten der Volkskammer der DDR und des Deutschen Bundestages geschrieben, mensch solle den 18. März zum Nationalfeiertag im wiedervereinigten Deutschland machen. Der Tag erinnert an ein siegreiches Datum der 1848er Revolution: Das preußische Militär musste sich zurückziehen, weil das Volk sich mit den Barrikadenkämpfern verbündet hatte.

Für Freiheit und Demokratie waren die Menschen 1848 in vielen europäischen Staaten auf die Barrikaden gegangen. Während die 48er Revolution insgesamt als gescheitert angesehen wird – in Baden wurden die Freiheitskämpfer niederkartätscht – so ist und bleibt der 18. März 1848 ein positives Datum für alle demokratisch gesinnten Menschen. Auch wenn Bismarck die Märtyrer für Freiheit und Demokratie eine Mörderbande nannte: Jahr für Jahr wurden an jedem 18. März Kränze zu den Gräbern der Märzgefallenen gebracht.

1998 jährte sich die 48er Revolution zum 150sten Mal. Das wiedervereinigte Deutschland feierte in der Paulskirche die parlamentarische Demokratie, den Verfassungsstaat. Die „Aktion 18. März“ schaffte es, dass in Berlin mit einem Gedenkzug an die Revolution erinnert wurde. Unterstützt von den Bezirksbürgermeistern und durch den Vorschlag des Bundestagspräsidenten Thierse, mit dem 18. März auch an die ersten freien Wahlen in der DDR 1990 zu erinnern, gelang es, den „Platz vor dem Brandenburger Tor“ in „Platz des 18. März“ umzubenennen.

Dennoch ist der 18. März nur wenigen bekannt. Im Tagesgeschäft der Politik geht die Erinnerung an dieses Datum unter. Der Vormärz in Europa wird jedoch als Völkerfrühling bezeichnet. Bekannt ist das Wort Ferdinand Freiligraths: „Es kommt dazu trotz alledem, dass rings der Mensch die Bruderhand dem Menschen reicht – trotz alledem und alledem!“

Trotz alledem: Diese Zeile drückt Hoffnung aus. Optimismus und nicht Jammern. Hartz IV, das Reicherwerden der Reichen, das Ärmerwerden der Armen. Es ist nicht gleichgültig, unter welcher Flagge ein Schiff segelt. Welchen Nationalfeiertag ein Volk sich wählt, sagt viel über seinen Geist aus. Der 2003 verstorbene Schriftsteller Heinz Knobloch schrieb in seinem Buch „Berliner Grabsteine“: „Trotz alledem werden wir uns noch darum kümmern, dass der 18. März zum deutschen Nationalfeiertag wird.“ Die Umbenennung des Platzes vor dem Brandenburger Tor fand breiteste Unterstützung, zum Beispiel bei Hanna-Renate Laurien, Michael Cramer und Herrmann Otto Solms. Es wäre schön, wenn sich ein ähnlich breites, überparteiliches Spektrum für den 18. März als Nationalfeiertag mit europäischer Tradition einsetzen würde. Der 3. Oktober wurde mit heißer Nadel gestrickt. Der 18. März darf kein Frühstart werden. Es sollte eine breite Diskussion stattfinden. Hoffnung gibt, dass in jedem Jahr mehr Menschen zur Gedenkstunde auf den Platz des 18. März kommen. Mit dem 18. März als Nationalfeiertag würde Deutschland gut ins Rennen gehen, welches da heißt: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

VOLKER SCHRÖDER

Der Autor ist Initiator der „Aktion 18. März“, die bereits 1978 gegründet wurde und damals „Aktion 18. März Nationalfeiertag in beiden deutschen Staaten“ hieß. Fernziel ist ein „Europäischer Feiertag 18. März“.