: „Besser Gewalt verhindern als verwalten“
Die Bundesfrauenbeauftragte der Deutschen Polizeigewerkschaft plädiert für den Erhalt von Frauenhäusern
taz: Frau Bernhard, Kürzungen bei Frauenhäusern – Sie als Vertreterin der Deutschen Polizeigewerkschaft sind dagegen. Warum?
Anke Bernhard: Wenn Frauenhäuser geschlossen werden, fallen nicht nur sichere Umgebungen für betroffene Frauen, sondern auch Beratungsmöglichkeiten weg. Gerade die Bekämpfung von häuslicher Gewalt funktioniert nur, wenn alle an einem Strang ziehen. Die Politik darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen.
Anlässlich der Veröffentlichung der neuen Studie der Bundesfamilienministerin zu Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland, die bestätigt, wie verbreitet Gewalt gegen Frauen ist, argumentieren Sie, dass sich die Polizei oft von Politik und Justiz alleine gelassen fühle. Was heißt das?
Die Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft ist unserer Beobachtung nach gestiegen, aber das Anzeigeverhalten hat sich auch geändert. Früher hatte die Polizei bei Familienstreitigkeiten keine rechtliche Handhabe, heute aber wird Körperverletzung und Vergewaltigung in der Ehe verfolgt und es wird auch mehr angezeigt. Durch die Zunahme der Fälle muss die Polizei öfters eingreifen. Wenn die Politik nun argumentiert, mit dem Gewaltschutzgesetz sei ein Instrument geschaffen, wie das Problem gelöst werden kann und Frauenhäuser wegfallen können, dann denkt sie nicht langfristig. Häuslichen Gewalttätern kann zwar ein Platzverweis ausgesprochen werden, aber erfahrungsgemäß ist damit die Gewaltspirale erst mal nicht unterbunden. Besser wir verhindern Gewalt, als dass wir Gewalt verwalten.
Der Senat wird nun dennoch in einem Berliner Frauenhaus, dessen Bestand weiterhin ungewiss ist, Plätze streichen. Wie kommt es, dass die Erfahrungen der Polizei nicht übereinstimmt mit politischem Handeln?
Schließungen sind eine Kostensache. Wenn sie als Polizeibeamtin aber zu einem häuslichen Gewaltfall gerufen werden und Sie wissen, Sie können die Frau nicht unterbringen, fehlt ein Baustein in der Gewaltverhinderung. Außerdem können Sie ohne Frauenhäuser nicht dieses subjektive Sicherheitsgefühl vermitteln, das die Frauen brauchen. Selbst wenn die Polizei den Platzverweis ausspricht, fühlen sich die Frauen subjektiv bedroht. Er kann ja wieder vor der Tür stehen.
Die Polizei ist vor allem in akuten Gewaltsituationen angesprochen. Wo bringen Sie die Frauen hin?
Die Polizei ist oft als Erste vor Ort. Wir können die Parteien trennen. Wir können Frauen Zuflucht geben. Wir können einen Platzverweis aussprechen und wir können an soziale Beratungsstellen verweisen. Wenn einer dieser Anlaufpunkte schwach ist, dann funktioniert der ganze Kreislauf nicht.
Welche Bedeutung haben Zufluchtswohnungen in dem Konzept?
Zufluchtwohnungen sind wichtig, aber ad hoc können wir da niemanden unterbringen. Oft werden wir ja nachts zu den Familien gerufen. Das Frauenhaus ist das Einzige, wo ich auch jemanden hinbringen kann.
Wie beurteilen Sie das Gewaltschutzgesetz? Erleichtert es die Arbeit der Polizei?
Es erleichtert uns die Arbeit, weil wir jetzt auf die Einhaltung der rechtlichen Auflagen achten können. Wenn der Täter jetzt gegen die Auflage verstößt, dann begeht er eine Straftat. Dann können wir als Polizei besser agieren.
Interview: WALTRAUD SCHWAB