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Archiv-Artikel

Bunker zu Bienenstöcken!

Krieg den Palästen, Friede den Hütten und den Hühnerställen sowieso: militärische Tarnung in der Schweiz. Eine Fotoausstellung im Museum für Gestaltung Zürich

Auf den ersten Blick haben sie nichts gemeinsam: ein ziegelgedecktes Bootshaus bei Schaffhausen, ein Stall in Surfers, ein Wochenendhaus mit Klinkerwand und Fenstergittern in Rüfenach, eine grau verputzte Doppelgarage in Glarus, ein Stall mit abgestuftem Satteldach in Füllinsdorf, ein rustikaler Weinkeller in Leuk, ein Bienenhaus an der Bahnlinie in Rochefort, ein Wasserreservoir im Wald bei Susch, ein mit Eternit gedeckter Holzschopf an der Autobahn in St. Margarethen und ein prächtiges Chalet mit Palmen im Garten in Hilterfingen. Sie alle sind ziemlich durchschnittliche Bauten der Schweiz: total normal, nicht besonders schön, auch nicht auffallend hässlich. Ein schneller Blick bleibt nicht an ihnen hängen.

Ein zweiter Blick aber lohnt sich, denn die Bauten haben doch etwas Wesentliches gemeinsam: Sie alle sind Camouflage, sie alle sind getarnte Bunker des Schweizer Militärs. Die Objekte sind aus reinem Beton, mit bemalter Gaze überzogen, bestenfalls mit einer Holzverschalung. Herzig und putzig sind sie anzuschauen, und dies ist auch der Zweck der Tarnung. Denn der Grund für diese Art der Tarnung ist von Anfang an ein ästhetischer, was normalerweise nicht als ein Hauptkennzeichen des militärischen Denkens gilt. Gebaut wurden die Bunker meist schon während des Zweiten Weltkriegs, sie gehören zum Verteidigungskonzept des „Reduits“, des Rückzugs der Schweizer Armee in die Alpen, um von dort in einem möglichen Partisanenkrieg das Land zu verteidigen. Die dafür benötigten Anlagen wurden so getarnt, wie das Militär dies normalerweise mit Farbe tut. Nach dem Krieg kamen die Deutschen, die Franzosen, die Engländer, Amerikaner, Japaner doch noch – jetzt aber als Touristen. Und nun störten die Bunker enorm. Sie waren schon in die Jahre gekommen und standen mitten in den schönsten Ecken des Landes. Das Grundkapital des Schweizer Tourismus war und ist aber die Landschaft. Abreißen wollte und konnte man die Bunker nicht (noch bis in die 90er-Jahre waren sie wegen dem Kalten Krieg aktiv und unterlagen der strengsten Geheimhaltung). Deshalb begann man in den 50-, 60er-Jahre die Militärbauten neu zu tarnen, dieses Mal im Heimatstil.

Meist wurden talentierte Truppenangehörige damit beauftragt, die Bunker so zu verkleiden, dass sie im Landschaftsbild nicht auffallen. Die Methode war die der Bricolage: Zuerst schaute man sich um, was denn sonst an Gebäuden so rumstand, dann wählte man aus, nahm hier etwas und zitierte dort anderes. So entstanden die neuen Kleider für die gealterten Betonmonster. Alte Sprengrohre dienten für die Eisengerüste der Dachkonstruktionen, Geflechtbahnen aus Draht als neue Haut und am Schluss kamen die Tarnmaler und dekorierten mit Dispersionsfarbe. Es entstanden Prototypen ländlichen Bauens, der jeweiligen Tradition und dem aktuellen Baustil verpflichtet, gebaut, wie ein Militär meinte, „mit Föderalismus und Fantasie“. Das Militär macht’s möglich, denn es war frei von jeglicher Baubewilligung und zivilen Genehmigungsverfahren. So sind die getarnten Bunker Spiegelbilder des ländlichen Bauens der Schweiz geworden. Eine Sammlung dieser getarnten Bunker würde einen wunderbaren Überblick darüber geben, wie die Alltagsgebäude in der Schweiz jenseits der Stararchitektur gestaltet wurden.

Der Fotograf Christian Schwager hat dieses Kompendium zusammengestellt. Über 100 Objekte hat er seit dem Jahr 2001 abgelichtet. Das Museum für Gestaltung Zürich zeigt sie jetzt unter dem Titel „Falsche Chalets“. Das Chalet, ursprünglich die Sennhütte, dann Ausdruck des Ferienhauses in den Bergen, gilt oder galt als Inbegriff des unechten, des dekorativen Bauens. Spätestens mit der postmodernen Architektur ist dieser Moralismus obsolet und der Titel trifft die wunderbare Dokumentation nicht wirklich. Denn die Tarnung der Bunker ist viel einfacher. Als Vorlage wurde genommen, was in die Umgebung passte wie Bienen-, Hühner- und Kuhställe, Weinkeller, Alphütten oder auch mal ein Chalet. Die Tarnung sollte nicht sofort als pures Disneyland erkenntlich sein. Man muss es dem Schweizer Militär schon lassen: Es tarnte seine Bauten getreu dem Büchner’schen Motto, „Krieg den Palästen, Friede den Hütten“ und den Hühnerställen sowieso. MATTHIAS BUSCHLE

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