Israels Offensive ist kontraproduktiv

Die Befürworter beider Seiten eines Abzugs aus dem Gaza-Streifen sollten sich zusammentun

Die israelische Armee ist nach knapp einer Woche ihrer Operation im Gaza-Streifen so weit wie eh und je von ihrem erklärten Ziel entfernt, den Raketenbeschuss auf Israel zu stoppen. Was die „Tage der Buße“ bislang erreicht haben, sind über 50 Tote auf palästinensischer Seite, zwei erschossene und mehrere verletzte Soldaten. Erst am Wochenende fielen erneut Kassam-Raketen auf die in erster Linie bedrohte israelische Stadt Sderot.

Unter Militärs und israelischen Politikern ist der Sinn der massiven Invasion in den dicht bevölkerten nördlichen Gaza-Streifen umstritten. Die Produktion der Raketen wird offenbar kaum verlangsamt. Der Ruf der palästinensischen Führung, Ägyptens und der Sicherheitsdienste zur Einstellung des Raketenbeschusses stößt auf taube Ohren. Sicherheitserwägungen allein waren es kaum, die Israels Premierminister Ariel Scharon die Militäraktion befehlen ließen. Aus dem Verteidigungsministerium in Tel Aviv verlautete, dass die Operation „eine klare Botschaft“ sein soll: Israel werde keine terroristische Angriffe während der „Loskoppelung“, dem Abzug aus dem Gaza-Streifen, zulassen. Das klingt auch wie ein Signal an die politischen Mitstreiter, die Zweifel an Scharons Abzugsplan hegen und die durch die Angriffe auf Sderot weiter ins rechte Lager abdriften.

Die Eskalation liegt nicht im Interesse der Abzugsbefürworter auf beiden Seiten. Bei den Palästinensern ist es paradoxerweise die Hamas, die Punkte im Volk sammelt, obschon sie die israelische Vergeltungsaktion ausgelöst hat und für das neue Leid so vieler Familien mitverantwortlich ist. Die Vorstellung, die palästinensische Führung könne im Anschluss an den Truppenabzug den Gaza-Streifen beruhigen, wird mit jedem Tag weiterer Gewalt mehr zur Utopie.

Für Scharon ist, wie gerade die vergangenen Tage zeigen, ein Abzug unter fortgesetztem Beschuss undenkbar. Er wäre vermutlich der letzte israelische Politiker, der eine Maßnahme befiehlt, die als strategische Niederlage interpretiert werden könnte. Genauso unwahrscheinlich ist jedoch, dass die Gewalt aufhört oder auch nur nachlässt, solange Israel auf dem einseitigen Abzugsplan beharrt. Die Hamas lehnt das ab.

Viel sinnvoller wäre es, wenn sich die Befürworter des Abzugs verbündeten, anstatt auf der Einseitigkeit zu beharren. Die palästinensische Führung setzt alles daran, die Gewalt zu beenden. Die Stationierung israelischer Soldaten in Jabalia und Beit Ha erschwert diese Aufgabe. Ohne bilaterale Einigung ist ein Ende der Eskalation kaum denkbar.

Je näher der Abzug rückt, desto stärker werden sich auch die anderen palästinensischen Widerstandsgruppen in Erinnerung zu bringen versuchen. Allein deshalb wäre es sinnvoll, den Prozess so weit wie möglich zu verkürzen und von Provokationen abzusehen. Was jetzt passiert, ist genau das Gegenteil. Anstatt die Truppen schrittweise abzuziehen, werden noch mehr Soldaten in den Gaza-Streifen geschickt. SUSANNE KNAUL