: IG Metall: Prämie bringt nur Zeitgewinn
Gewerkschaftschef Berthold Huber fordert wegen ökologischer Herausforderung Reform der Automobilbranche
BERLIN taz ■ Mit der Abwrackprämie allein wird die Automobilindustrie nach Ansicht des IG-Metall-Vorsitzenden Berthold Huber nicht aus der Krise kommen. „Mit den bisherigen Maßnahmen wurde Zeit gewonnen, mehr nicht“, sagte Huber auf einem Kongress der Hans-Böckler-Stiftung am Mittwoch in Berlin. So stimuliere die Prämie zwar die Inlandsnachfrage, weshalb auch Huber für eine Fortsetzung der Zahlungen ist. 71 Prozent der hiesigen Automobilproduktion gingen aber ins Ausland. Und weltweit erwarteten die Experten 2009 einen Rückgang der Nachfrage.
Bislang sei in der deutschen Automobilindustrie kaum ein Arbeitsplatz verloren gegangen, sagte Huber. „Das könnte sich ab Sommer dramatisch ändern.“ Deshalb forderte der IG-Metall-Chef die Einrichtung eines Branchenrates „Automobile Zukunft“. Darin sollen Gewerkschaften und Industrieverbände zusammenarbeiten und mit der Bundesregierung Vorschläge zur Bewältigung der Krise erarbeiten. Denn neben der Wirtschafts- und Finanzkrise habe die Branche auch unter einer Strukturkrise zu leiden. „Gerade die ökologischen Herausforderungen, ja Notwendigkeiten müssen wir stärker in den Vordergrund rücken“, sagte Huber. Dies hätten die Firmen in den vergangenen Jahren zu häufig versäumt. „Und ich sage deutlich, dieses Versäumnis ist mitverantwortlich für die Absatzkrise“, sagte Huber.
Doch nicht nur die Produkte müssen sich nach Hubers Ansicht ändern, damit sich eine Krise wie die aktuelle nicht wiederholt. Er verwies auf den Aktionsplan seiner Gewerkschaft, der unter anderem eine Änderung des Aktienrechts vorsieht. Vorstand und Aufsichtsrat sollen demnach auch auf das Wohl der Mitarbeiter und der Allgemeinheit verpflichtet werden. Die Unternehmensmitbestimmung müsse ausgeweitet werden und die Vorstandsbezüge müssten an nachhaltigen Unternehmenszielen ausgerichtet werden. Zudem fordert die IG Metall einen staatlichen Fonds zur Beteiligung an Unternehmen, der über eine 100 Milliarden Euro umfassende Zwangsanleihe finanziert werde. Diese müssten alle Bürgerinnen und Bürger finanzieren, die mehr als 750.000 Euro besitzen.
Unterstützung fand Huber bei Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD), der seit über 20 Jahren Mitglied der IG Metall ist. Gabriel begrüßte nicht nur die Idee eines Branchenrats. Gerade die Automobilindustrie stehe vor großen Herausforderungen, weil sie künftig eher Mobilitätsdienstleistungen als einzelne Fahrzeuge verkaufen müsse. Hinzu kämen die Verknappung der Rohstoffe und eine wachsende Weltbevölkerung, wobei sich immer mehr Länder auf den Weg der Industrialisierung begäben. Deutschland könne auf diesem Feld technologische Lösungen anbieten. Allerdings seien die entsprechenden Branchen mittelständisch organisiert, was im Wettbewerb zum Beispiel mit französischen Konzernen ein Hindernis sei. Deshalb sei eine „strukturierte Industriepolitik“ in Deutschland insgesamt überfällig, sagte Gabriel.
STEPHAN KOSCH