Bodenlose Planungen

Airbus-Erweiterung weiterhin fraglich. Bürgermeister baggert in Paris für den Luftfahrtstandort Hamburg. Handelskammer fordert „Vorfahrtsgesetz“ für Investitionen

Im Geschacher um die Verlängerung der Start- und Landebahn im Airbus-Werk Finkenwerder werden nun auch die schärfsten Register gezogen. Grund ist die weiterhin bestehende Unsicherheit über die Verlängerung der Airbus-Werkspiste in Finkenwerder. Nach taz-Informationen verweigert die Mehrzahl der gegen die Erweiterung klagenden Grundeigentümer den Verkauf ihres Besitzes an die Stadt. „Wir sind außerordentlich optimistisch“, freut sich Gabi Quast vom Schutzbündnis für Hamburgs Süderelbregion über den unverminderten Widerstand.

Zehn Grundstücksbesitzer im Obstbauerndorf Neuenfelde, die für einen Ausbau der Landebahn Haus und Hof opfern sollen, hatten am 10. August rechtliche Rückendeckung vom Oberverwaltungsgericht (OVG) erhalten. Dies hielt deren Enteignung „zu Gunsten eines privaten Wirtschaftsunternehmens“ – Airbus – für nicht gerechtfertigt und verhängte einen Baustopp. Deshalb unterbreitete die Stadt den zehn Klägern sowie fünf weiteren Grundbesitzern oder -pächtern, die nicht vor Gericht gegangen waren, erhöhte Kaufangebote. Zugleich wurde eine Frist bis vorigen Freitagabend gesetzt (taz berichtete).

Bis gestern haben dem Vernehmen nach acht Betroffene den Kaufvertrag notariell beglaubigt unterzeichnet, sieben der zehn Kläger jedoch nicht. Die Verträge erlangen aber nur Rechtskraft, wenn alle Eigentümer zustimmen – und das, sagt Quast, werde nicht geschehen. Die federführende Wirtschaftsbehörde will zu den „vertraulichen Verhandlungen“, so deren Sprecher Christian Saadhoff, „keinen Kommentar“ abgeben“.

Bürgermeister Ole von Beust (CDU) frohlockte derweil gestern in Paris, es hätte bereits „mehr als die Hälfte unterschrieben“ – dass darunter aber nur wenige der Kläger sind, sagte er nicht. Immerhin ist er auf Werbetour für den „Luftfahrtstandort Hamburg“ in Frankreich unterwegs.

Auf einem gestrigen Symposium zu diesem Thema in der Deutschen Botschaft in Paris musste von Beust allerdings zur Kenntnis nehmen, dass die Geduld von Airbus nicht unendlich ist. Der Hamburger Werkschef Gerhard Puttfarcken bekräftigte die Forderung nach „Planungssicherheit“ in der Hansestadt binnen zweier Monate. Andernfalls könne der Konzern auch nach „Alternativen“ Ausschau halten. Heute reist der Bürgermeister zur Airbus-Zentrale ins südfranzösische Toulouse, um dort möglichst erfreuliche Nachrichten zu übermitteln. Sehr viele werden es nicht sein.

Das fürchtet auch Handelskammer-Präses Karl-Joachim Dreyer. Der OVG-Beschluss vom August beruhe „auf einer Fülle von Fehleinschätzungen“, klagt er in einem Leitartikel in der Oktober-Ausgabe des Kammer-Zentralorgans Hamburger Wirtschaft. Dringend erforderlich sei deshalb der Erlass eines „Investitions-Vorfahrtgesetzes“. Dadurch könne es den Gerichten „erleichtert werden“, treuherzt Dreyer, „zum Wohle der Freien und Hansestadt Hamburg zu entscheiden“. Dass die Kammer das „Wohl“ – und damit auch das „Wehe“ – zu definieren gedenke, sagte er nicht. Sven-Michael Veit