: Den Finger am Puls der Frequenz
Berliner Radiomacher sind geteilter Ansicht über die Einführung einer Quotenregelung für deutsche Musik. Was sollten nur Radio Multikulti und Black-Music-Sender mit einer deutschen Quote anfangen? Andere erkennen dennoch Vorteile
von LENA VON SEGGERN
Ob Jam- oder Pop-Welle, Berliner Wellenchefs fürchten um ihre Hörer und um ihr Format. Quer durch die rund 40 Stationen zählende Senderlandschaft Berlin-Brandenburgs werden derzeit Vor- und Nachteile einer Sendevorschrift für einheimisches Liedgut debattiert. Vergangene Woche begaben sich, um dieses heikle Thema demokratisch vorzutragen, zwei Initiativen zur Wahrung des deutschen Lied- und Kulturgutes in den Bundestag. Die Kommission „Kultur in Deutschland“ und Stellvertretende der rund 500 „Musiker in eigener Sache“ diskutierten eine mögliche Quotierung deutscher und in Deutschland produzierter Lieder in öffentlich-rechtlichen und privaten Radiosendern.
Käme es, ähnlich wie im Nachbarland Frankreich, zu einer Quotenregelung für einheimische Titel, müssten die Stationen dann täglich bis zu 40 Prozent deutschsprachige Songs, oder nunmehr Lieder, bringen. Denn das bevorzugte Senden türkisch- oder englischsprachiger Hits made in Germany, würde gegen europäische Wettbewerbsregelungen verstoßen. Musikschaffende fremder Nationalität würden damit diskriminiert.
Nadim Romdhane, Musikredakteur bei JamFm, sieht die Quote als echtes Problem. Welche Songs solle er dann abspielen? Man habe ja schließlich einen gewissen Qualitätsanspruch. Der Anteil an in Deutschland produzierter Musik liegt beim Sender für „The Finest in Black Music“ bereits bei fünf bis zehn Prozent. Romdhane weiß, was die Hörer wollen, er braucht keine Vorgaben. Mittels Wunschsendung, Testrotation und „Requestline“ ermittelt JamFm seine Hits, zu denen die „Kids in der Community ausflippen“, sagt der Redakteur. Lokale Künstler müssten finanziell unterstützt, der „Underground direkt supported“, nicht der Sender bevormundet werden.
Vergangene Woche verbreiteten die „Musiker in eigener Sache“ den Eindruck, die deutsche Kultur müsse gerettet werden und sei kurz vor dem Untergang. HipHopper Xavier Naidoo, den Kopf während der Präsentation ernst aufgestützt, guckte mit stechendem Blick in die Linsen der Kameras. Inga Humpe, Sängerin der Gruppe 2raumwohnung, ist „total sauer auf die 600 nationalen Radiostationen“, weil sie ihre Titel nicht spielen.
„Bei uns wäre eine Quote kontraproduktiv“, sagt auch Tobias Maier, Musikchef bei Radio Multikulti: „Mehr deutschsprachige Titel würden gleichzeitig eine Einschränkung unserer musikalischen und sprachlichen Vielfalt bedeuten.“
Kathrin Schaffner, Sprecherin von Radio Energy, ist hingegen begeistert. Ihr Sender weist bereits einen Anteil deutsch produzierter Musik von 20 Prozent auf. Radio Energy gewann goldene Schallplatten mit Sarah Conner, Wolfsheim und den Fantastischen Vier. Eine Quote wäre kein Problem. Neue Musik lässt sich doch finden. „Die muss dann halt nur ins Format passen.“
Wolfgang Thierse war es, der im Juni 2003 mit seiner Rede nicht nur die Bad Hersfelder Festspiele eröffnete, sondern auch die Debatte um mehr „Sendemut“, mehr deutsche Musik im Radio: „Für Sperriges, Unkonventionelles gibt es oft keinen Sendeplatz.“ In Berlin sind nicht wenige ähnlicher Ansicht. Manfred Fischer von der Berliner Kulturverwaltung denkt, dass sich „die Präsentationsmöglichkeiten für deutsche Künstler erheblich verbessern würden“. Es geht um Vermarktung, um Kultur, um ein Gegengewicht zum Hauptstrom, nämlich der Musik aus dem englischsprachigen Raum und damit der Mainstream-Pop-Flut aus den USA. Einen Beschluss wird es jedenfalls so bald nicht geben, Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) ist gegen die Quote, genau wie Kulturstaatsministerin Christina Weiss. Und noch entscheidet – dem Knöpfchen am Radiogerät sei’s gedankt – der Hörer selbst über den Soundteppich seiner Wahl.