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DER BUCHMESSE RÜCKT DIE „ARABISCHE LITERATUR“ INS RAMPENLICHTTausendundeine Stimme

Wer repräsentiert die arabische Literatur? Schon im Vorfeld überschattete diese Frage die Frankfurter Buchmesse, deren Schwerpunkt in diesem Jahr der „arabischen Welt“ gewidmet ist. Zerstritten zeigten sich die 22 Nationen, ihre Verbände und Schriftsteller bei den Vorbereitungen. Nur in einem Punkt herrschte fast durchweg Einigkeit: dass die Arabische Liga, der die Organisation des Schwerpunkts anvertraut wurde, in Fragen der Literatur eigentlich der falsche Ansprechpartner sei. Entsprechend skeptisch wurde ihre Einladungspolitik beäugt: Würde sie tatsächlich nur linientreue Hofdichter einladen, die den arabischen Regimes genehm sind?

Noch ist es zu früh, diese Frage abschließend zu beantworten. Immerhin jedoch wird man unter den 200 offiziellen Gästen auf zahlreiche Exilanten treffen sowie auf Autoren, die in arabischen Ländern leben, aber nicht nur auf Arabisch, sondern auch auf Französisch oder Englisch schreiben. Wenn die Buchmesse in diesem Jahr dennoch von einer politischen Agenda überschattet werden sollte, dann liegt das aber nicht nur an den arabischen Diktaturen. Ein Problem ist auch: Im Westen interessierte man sich bislang vor allem aus politischen Gründen für die arabische Welt, nicht aus ästhetisch-literarischen.

In der arabischen Welt kann kaum ein Autor allein vom literarischen Schreiben leben. Die meisten sichern sich in anderen Berufen ihren Broterwerb. Dass auch im Westen weitgehendes Desinteresse an der modernen arabischen Literatur herrscht, ist nur ein Spiegel dieser Misere: Von allen Belletristik-Übersetzungen ins Deutsche stammt weniger als ein Prozent aus der arabischen Welt. Wenn sich dies mit der diesjährigen Buchmesse ändern und die Aufmerksamkeit auf eine arabische Literatur gelenkt würde, die jenseits von Ikonen wie Nagib Mahfus oder seinen frankophonen Kollegen existiert, dann wäre das schon ein Erfolg. Ein übergreifendes Motiv wie der „magische Realismus“, der einst die Literatur aus Lateinamerika ins Rampenlicht brachte, mag dabei nicht zu entdecken sein. Aber eine literarische Vielstimmigkeit, die für die Vielfalt der Lebensrealitäten in der Region steht. DANIEL BAX

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