: Weg frei für Tribunal
Kambodschas Parlament ratifiziert Abkommen über UN-Tribunal gegen frühere Rote Khmer. Doch nur sehr wenige dürften angeklagt werden
VON SVEN HANSEN
Einstimmig hat Kambodschas Nationalversammlung gestern ein Abkommen mit den Vereinten Nationen über die Einrichtung eines Tribunals gegen Führer der Roten Khmer ratifiziert. „Dies ist ein sehr gutes Ergebnis, auf das die Kambodschaner und die internationale Gemeinschaft gewartet haben“, sagte Premierminister Hun Sen. Bereits im Juni 2003 hatte sich die Regierung nach mehrjährigen Verhandlungen mit der UNO geeinigt. Doch scheiterte eine frühere Ratifizierung an der elfmonatigen Regierungskrise nach den Parlamentswahlen vom Juli 2003. Jetzt muss das Abkommen noch vom Senat gebilligt und von König Norodom Sihanouk unterzeichnet werden, was als Formsache gilt.
Während der Herrschaft der maoistischen Roten Khmer von April 1975 bis Januar 1979 waren etwa 1,7 Millionen Kambodschaner, rund ein Fünftel der damaligen Bevölkerung des Landes, ermordet worden oder an Hunger und Erschöpfung gestorben. Im Januar 1979 beendete die vietnamesische Armee mit einer Invasion die Herrschaft der Roten Khmer. Diese führten noch bis Ende der 90er Jahre einen Guerillakrieg gegen die von Vietnam eingesetzte und 1993 unter UN-Aufsicht gewählte Regierung unter Premierminister Hun Sen.
Dabei genossen die Roten Khmer in den 80er-Jahren die Unterstützung Chinas und der USA. Ihre Verbrechen aus dieser Zeit wird das Tribunal aber ebenso wenig behandeln wie die ausländische Mitverantwortung.
Das UN-Tribunal soll die noch lebenden Führer der Roten Khmer wegen Völkermords, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit von 1975 bis 1979 aburteilen. Es ist das einzige UN-Tribunal mit mehrheitlich einheimischen Richtern und Staatsanwälten. Urteile bedürfen aber der Zustimmung mindestens eines von den UN ernannten internationalen Richters. Das höchste Strafmaß ist lebenslängliche Haft.
Bisher musste sich kein hoher Führer der Roten Khmer vor Gericht verantworten. Nur Exarmeechef Ta Mok und der Exchef des Foltergefängnisses Toul Sleng, Kaing Khek Iev, sind in Haft. Andere, wie der frühere Staatschef Khieu Samphan, Exaußenminister Ieng Sary oder der „Bruder Nummer zwei“ genannte Nuon Chea, die ab 1996 kapitulierten, leben unbehelligt in Freiheit. Pol Pot, der Führer der Roten Khmer, starb 1998.
Das Tribunal wird in einem ehemaligen Theater in Phnom Penh stattfinden, voraussichtlich Mitte 2005 beginnen und etwa drei Jahre dauern. Wer die Kosten von etwa 46 Millionen Euro übernimmt, ist noch offen. Kambodscha soll die Hälfte tragen, für den Rest suchen die UN noch Spender. In Kambodscha rechnen nur wenige Beobachter mit mehr als einer Hand voll Anklagen und mit noch weniger Verurteilungen. Viele befürchten Deals zwischen der Regierung und den greisen Angeklagten. Kambodschas Justiz gilt als abhängig und korrupt. Optimisten erhoffen dagegen positive Impulse für das Rechtssystem.