Asyl wird zur Fata Morgana

Die EU-Kommission will vor der Errichtung von Asylbewerberlagern in Nordafrika rechtliche Fragen klären. Derweil schiebt Italien weiter Flüchtlinge ohne jedes rechtsstaatliche Verfahren ab

BERLIN/ROM taz/epd/dpa ■ Die EU-Kommission spricht von der Errichtung rechtsstaatlicher Asyllager in Nordafrika – Italien schafft Fakten. Auch gestern sollten hunderte von Flüchtlingen nach Libyen abgeschoben werden, nachdem sie erst kurz zuvor auf der Insel Lampedusa eingetroffen waren.

Demgegenüber behauptete der zuständige EU-Kommissar Antonio Vitorino gestern in Brüssel, dass allenfalls mittelfristig Aufnahmezentren für Asylsuchende an der südlichen Mittelmeerküste errichtet werden könnten. Zuvor müssten schwierige rechtliche Fragen geklärt werden. Der Vorschlag von Bundesinnenminister Otto Schily, Aufnahmezentren zu errichten, in denen die EU die Anträge prüft, sei als Bestandteil einer längerfristigen europäischen Migrationspolitik zu erwägen.

Von Rechtsstaatlichkeit kann aber beim Vorgehen Italiens keine Rede sein. Die Hauruck-Abfertigung, bei der eine individuelle Anhörung ganz offensichtlich nicht stattfindet, verhindert ein rechtsstaatliches Asylverfahren schon im Ansatz. Menschen mit arabischem Aussehen wurden am Wochenende fast sofort ins Flugzeug gesetzt. „Die haben nicht einmal Zeit, Asyl zu beantragen, ihre Rechte wahrzunehmen“, sagte der Minister für Auslandsitaliener, Mirko Tremaglia. Der italienische Innenminister Giuseppe Pisanu erklärte dagegen: „Wir schützen diejenigen, die das Recht haben, sich auf das Asylrecht zu berufen“ – so als läge es bei den Grenzbeamten, darüber zu befinden. Dabei ist eine Überprüfung per Gesichtskontrolle durch kein italienisches Gesetz gedeckt; auch Marokkaner dürfen in Italien Asyl beantragen.

Paolo Cento von den italienischen Grünen warf der Regierung vor, sie vollziehe eine „illegitime Deportierung“. Proteste vonseiten der Bundesregierung sind dagegen offenbar nicht zu erwarten; eine Stellungnahme aus den zuständigen Ministerien war gestern jedenfalls nicht zu bekommen.

Das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) versuchte bisher vergeblich, Zugang zu den Flüchtlingen zu bekommen. Sowohl Italien als auch Libyen hinderten die UN-Organisation daran. Deren Chef Ruud Lubbers warnte zugleich vor einer zunehmenden Aushöhlung nationaler Gesetze zum Schutz Asylsuchender. Paradoxerweise geschehe dies vor dem Hintergrund einer real abnehmenden Menge von Flüchtlingen. In den Industrieländern sei die Zahl auf dem niedrigsten Niveau seit 17 Jahren.

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