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Archiv-Artikel

Probleme mit dem singenden Wasserzeichen

Plattenindustrie im Pech: Technische Probleme mit Kopierschutz verzögern den für Herbst geplanten Internet-Shop

BERLIN taz ■ Wenn der Internet-Piraterie kein Ende gesetzt wird, dann „gibt es in fünf Jahren kein Musikgeschäft mehr“ – so verzweifelt klangen zuletzt die Hilferufe der ach so gebeutelten internationalen Musikbranche. Die Fünf-Jahres-Prognose stammt nun vom französische Phonofunktionär Michel Lambot, und es wäre interessant zuerfahren, was Monsieur Lambort von der jüngsten Meldung aus der kommerziellen Download-Saga hält: Der Start von Phonoline, der im nicht ganz unwichtigen deutschen Musikmarkt geplanten gemeinsamen Online-Plattform der Plattenmultis, wird mal wieder verschoben.

Eigentlich, so hat es noch vollmundig auf der Musikmesse Popkomm im Juli geheißen, sollte das international einzigartige Gemeinschaftsprojekt der deutschen Musiktöchter von Universal, Sony, Warner, Bertelsmann Music Group (BMG) und EMI „im Herbst 2003“ endgültig nutzbar sein. Mit Einführungspreisen von 99 Cent pro Song wollten die Branchengrößen gemeinsam mit einigen kleineren Labels und Einzelhandelsketten wie Saturn, Mediamarkt oder Karstadt gegen die einschlägigen Internet-Tauschbörsen Front machen. Gegen diese niedrige Gebühr wollen die Firmen ihre Hits im Internet zum Herunterladen verfügbar machen: komfortabler als die Tauschbörsen und vor allem absolut legal. Im Gegenzug hätte die Branche auch bessere Argumente, um härter gegen Raubkopierer vorzugehen.

Jetzt ist laut Financial Times Deutschland maximal noch der Januar 2004 als Starttermin für die „Vollversion“ drin. Und auch das natürlich nur, wenn die „Testversion“ hält, was Phonline verspricht. Getestet werden soll offenbar erst ab Dezember. Bisher bremsten ein langwieriger Entscheidungsprozess, welcher Online-Dienstleister die Musikbörse betreiben darf, interne Konkurrenz der Plattenfirmen und Abrechnungsfragen den Fortschritt. Das scheint nun passé: Die Telekom-Tochter T-Com wird Phonoline betreiben, von Rechenproblemen ist auch nicht mehr die Rede. Man hat einen neuen Schuldigen für den Verzug gefunden: das elektronische Wasserzeichen, das illegales Weiterkopieren der Songs nach dem Download verhindern soll.

Bei allem Verständnis für die komplexe Aufgabe, im Normalfall am Musikmarkt konkurriende Anbieter unter einen gemeinsamen Online-Hut zu bringen, macht sich da Schadenfreude breit. Dabei kann der legale Musikvertrieb im Internet ganz wunderbar funktionieren, wie die Computerfirma Apple mit ihren „iTunes“ beweist. Phil Leigh, Musikanalyst und Branchenexperte, sagte bereits im Juli zur taz: „Wenn Apple in einer Woche 1 Million Dollar Umsatz macht, dann sind das im Jahr 52 Millionen Dollar. Und damit läge Apple über den Umsätzen aller anderen Online-Musikdienste“, die nach Leighs Angaben gerade mal auf 35 Millionen Dollar jährlich kommen.

Dass Phonoline weiter auf sich warten lässt, trifft die beteiligten Konzerne hart. Schließlich sollen in Zukunft ein Drittel der schmelzenden Erlöse über den legalen, kopiersicheren Online-Download erzielt werden. Zudem gilt das Projekt als einzige brauchbare Idee der Phonoindustrie, die zurückgehenden CD-Verkäufe wenigstens teilweise zu kompensieren. Ein Plan B ist nirgendwo in Sicht.

STEFFEN GRIMBERG

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