piwik no script img

Archiv-Artikel

„Vier Prozent sind irreal“

Während sich bei den Tarifverhandlungen zwischen VW und IG Metall die Fronten verhärten, rät „Auto-Papst“ Ferdinand Dudenhöffer zu französischen Verhältnissen. „Vier Prozent mehr Lohn irreal“

taz: Bei den laufenden Tarifverhandlungen zwischen VW und Gewerkschaften zeichnet sich ab, dass Europas größter Autobauer den Haustarif schlachten will. Währenddessen wütet die IG-Metall, es könne nicht sein, dass die Beschäftigten die Fehler des Managements ausbaden müssen. Wer hat Recht?Dudenhöffer: Ich kann Hartmut Meine, den Verhandlungsführer der IG Metall, gut verstehen. Allerdings sind die Beschäftigten in den sechs westdeutschen VW-Werken im internationalen Vergleich sehr, sehr teuer. Eine Arbeitsstunde bei Peugeot oder Renault kostet im Schnitt 23, eine nach VW-Haustarif 33 Euro. VW könnte 1,5 Milliarden Euro pro Jahr sparen, wenn die Gehälter der französischen Konkurrenz gezahlt würden. Diesen Kostenblock kann die IG Metall nicht wegdiskutieren – er entspricht auch in etwa den Vorstellungen, mit denen VW in die Verhandlungen gegangen ist.

Der Konzern will zwei Nullrunden und bis 2011 etwa 30 Prozent weniger Arbeitskosten für seine 103.000 Mitarbeiter in Westdeutschland durchsetzen. Sind die vier Prozent mehr Lohn, die die IG Metall fordert, irreal?Ich fürchte ja. Vier Prozent hießen 200 Millionen Euro pro Jahr Mehrkosten für VW. Aber der Konzern hat im ersten Halbjahr schon 100 Millionen Euro Verlust eingefahren. Mit jedem Auto, inklusive der Nutzfahrzeuge, verliert VW derzeit 50 Euro.

Die Gewerkschaften begründen ihre Forderungen auch damit, ohne Lohnsteigerungen ließe sich der lahme Binnenmarkt nicht anheizen.Das Argument „Autos kaufen keine Autos“ ist blödsinnig. VW produziert für den Weltmarkt, nicht nur für Deutschland. Und in einer globalisierten Wirtschaft greift jeder zum Produkt mit dem günstigsten Preis.

Der Haustarif ist nicht der einzige Grund, warum VW gegenüber den anderen Volumenherstellern wie den Franzosen oder Toyota ins Hintertreffen gerät. Das stimmt. Lohnverzicht allein reicht nicht. In den letzten vier Jahren sind die Verkäufe in Westeuropa um fast 13 Prozent, in den USA sogar um 27 Prozent geschrumpft. VW hat unter seinem Chef Piëch Fehler in der Modellpolitik gemacht: Allein das Luxusmodell Phaeton hat eine Milliarde Euro gekostet, gleichzeitig sind die Kosten für das Brot- und Butterauto Golf aus dem Ruder gelaufen. Immerhin lenkt Piechs Nachfolger Pischetsrieder ein.

Gerade wurde die Produktion des Oberklassemodells C 1 verschoben... ... dafür wird bald der Kleinwagen Fox verkauft. Das geht in die richtige Richtung. Aber Autohersteller sind wie Tanker: Ein Modellzyklus dauert sechs bis sieben Jahre. Erst 2006, wenn der neue Passat auf dem Markt ist, wird wieder ein interessantes Jahr für Volkswagen. Kurzfristig hilft nur das Drehen an der Lohnschraube. Intelligente Lösungen wie längere Arbeitszeit ohne Lohnausgleich sind wegen der Überkapazitäten ja nicht möglich: Allein in den USA und Westeuropa hat VW gegenüber dem Jahr 2000 etwa 300.000 Autos weniger verkauft.

VW hat gerade angekündigt, Fahranfängern den Führerschein zu finanzieren. Kurbeln Rabatte den Markt an? Der Konzern ist eher mutig, wenn man die Preisnachlässe bei Opel oder Ford vergleicht. Derzeit sind Rabatte aber offenbar unabdingbar, damit überhaupt gekauft wird. Aber auch sie belasten das Ergebnis.

Also was tun? Mercedes oder General Motors haben längst ihre Zulieferer ausgegliedert, im Werk in Braunschweig werden immer noch Achsen und Lenkungen, in Salzgitter Motoren und Komponenten nach Haustarif gefertigt. Da sind die VW-Strukturen nicht mehr aktuell.

Wie werden die Verhandlungen Ihrer Meinung nach enden? Das Ergebnis muss auch für die Arbeitnehmer eine Brücke bauen. Wenn VW klug weiter verhandelt, dürfte am Ende wohl eine Beschäftigungsgarantie ohne Lohnsteigerungen herauskommen. Ich glaube aber nicht, dass vor Mitte November mit einem Ende der Verhandlungen zu rechnen ist: Dann veröffentlicht nämlich General Motors neue Zahlen. Dabei dürfte es nicht ohne Jobverluste abgehen.

Interview: Kai Schöneberg