: Mund zu am Totalitarismusinstitut
Nach seinem Auftritt bei Scientology: Direktor des Hannah-Arendt-Instituts in Dresden verpflichtet sich zur Zurückhaltung. Ein Buch über die Sekte will er trotzdem publizieren
DRESDEN taz ■ Professor Gerhard Besier, Direktor des Dresdner Hannah-Arendt-Institutes für Totalitarismusforschung (HAIT), will künftig vor keinem Forum mehr auftreten, „das in der öffentlichen Meinung Deutschlands – aus welchen Gründen auch immer – als anstößig oder irgendwie anrüchig gilt“. So steht es in seiner Stellungnahme für das Kuratorium des HAIT. Besier sollte sich dort am Mittwoch für seine Ansprache auf einer Scientology-Veranstaltung in Brüssel Ende September verantworten. Er hatte die Pseudokirche dort als Vorkämpfer für religiösen Pluralismus gewürdigt und die Definitionsfrage von Kirchen aufgeworfen. Er freue sich, „dieses Problem aus der Perspektive der Scientology-Religion zu studieren“.
Besier bestritt auch gestern dieses Übersetzungprotokoll seiner englisch und frei gehaltenen Ansprache. Er wies auch jede innere Affinität zu den kleineren Religionsgemeinschaften zurück, mit denen er sich wissenschaftlich befasst habe. Gleichwohl ist ihm vom besorgten Kuratorium noch einmal deutlich gemacht worden, unter welch besonderer Beobachtung das HAIT steht. Die Kontroversen um die Bewertung des Elser-Attentats auf Hitler 1939 und der staatliche Durchgriff hatten vor drei Jahren den Ruf des seit seiner Gründung umstrittenen Instituts schwer geschädigt. „Eine erneute Entlassung und Ausschreibung des Direktorenpostens wäre das Ende des Hannah-Arendt-Instituts“, gibt das Kuratoriumsmitglied Wolfgang Marcus (SPD) eine weit verbreitete Auffassung wieder.
An der Person Besiers muss also unter teilweisen Maulkorbauflagen festgehalten werden. Er solle bei allen öffentlichen Äußerungen seiner Verantwortung für das Renommee des HAIT gerecht werden, verlangt das Kuratorium. Die sächsische CDU befindet sich dabei in einem Dilemma. Bei der Suche nach einem neuen Direktor Anfang 2003 galt Besier als Favorit der Union. Man habe aber keine Ahnung gehabt, dass er von Scientology, den Zeugen Jehovas oder der Vereinigungskirche (Moon-Sekte) gern als Kronzeuge ihrer Diskriminierung zitiert werde, versichert Martin Jehne als Vorsitzender der Berufungskommission. Auch Uwe Grüning (CDU), Chef des Kuratoriums, fiel nach der Brüsseler Affäre aus allen Wolken. Anschließend erfolgten gerade aus Unionskreisen, die sich vor allem den beiden Großkirchen verpflichtet fühlen, die schärfsten Reaktionen.
Die PDS hingegen, die im September noch Besiers Rücktritt verlangt hatte, entdeckt die Religionsfreiheit wieder und will „Political Correctness“ nicht von der CDU bestimmen lassen. Der nächste Krach ist schon programmiert. Besier will trotz der auferlegten Zurückhaltung den im Frühjahr fertig gestellten theoretischen Teil eines Buchs über Scientology in Deutschland erscheinen lassen. Es wäre „feige, dies jetzt nicht zu tun“, sagte Besier, nachdem die Süddeutsche Zeitung sein bevorstehendes Werk publik gemacht hatte. Für seine Arbeit durfte der HAIT-Direktor sogar die geheimnisvolle Datei der 11.000 Mitglieder einsehen. MICHAEL BARTSCH