Die Genossen bringen‘s hinter sich

Die Bremerhavener SPD bringt zu Ende, was sich schon im Wahlkampf abzeichnete: Sie beschließt die Aufnahme der Koalitionsverhandlungen mit der CDU. Die Partei grummelt zwar, kann sich aber auch nicht zu einer Alternative durchringen

Bremerhaven taz ■ Der Taxifahrerin ist es egal. Dass die SPD beschlossen hat, Koalitionsverhandlungen mit der CDU aufzunehmen und der Weg frei ist für weitere vier Jahre große Koalition – was soll’s. „Die tun ja doch nichts für uns.“ Und führt als Beweis die Columbusstraße an, auf der nur eine von drei Fahrspuren neu asphaltiert wurde.

Lethargie hängt über der Stadt, auch über dem SPD-Parteitag am Donnerstag Abend. Nicht einmal eine Stunde dauert es, bis die Delegierten in der Kantine der Bremerhavener Stadtwerke ihre Hand heben und damit der Empfehlung des Vorstands folgen: Große Koalition. Auch wenn ihnen die Leidenschaftslosigkeit und der Verdruss ins Gesicht geschrieben stehen. Zwar hat die SPD pflichtgemäß auch Sondierungsgespräche mit den Grünen und der FDP geführt. Die Ampel aber war von vorneherein nur eine theoretische Überlegung. „Die Mitglieder fühlen sich verarscht, aber kaum jemand wird in die Bütt gehen und dagegen reden“, hatte der 21-jährige Vorsitzende der Bremerhavener Falken, Denis Pijetlovic, vorausgesagt. Er behielt recht.

„Mach schnell“, raunt eine Genossin einem Redner zu, bevor der ans Pult geht, um seine Sorgen vor einer Weiterführung der großen Koalition zu schildern. Schließlich hatten CDU und SPD bei den Kommunalwahlen Ende September hoch verloren, während die Kleinen zugelegt hatten. „Wir wurden abgewählt“, sagt einer und ein anderer hat „ein moralisches Problem“ damit, zu tun, als wäre nichts geschehen. Aber nur eine Hand voll Genossen stimmt gegen den Antrag. Und niemand wählt scharfe Worte oder argumentiert überzeugend für eine Alternative.

Sorgen macht sich die Basis vor allem darüber, in der Bildungspolitik von der CDU über den Tisch gezogen zu werden. Die hat in ihrem kurz vor den Sondierungsgesprächen veröffentlichten 40-Punkte-Papier klar gestellt, dass sie ein durchgängiges Gymnasium will. Doch Melf Grantz, Vorsitzender der SPD-Stadtverordnetenfraktion, wischt die Bedenken vom Tisch. „Die Vertragslage mag nicht so gut aussehen“, sagt er. Aber in einer Koalition ginge es darum, sich um das tagespolitische Geschäft zu kümmern, und da würde sich die SPD schon durchsetzen. Die Grünen kanzelt er als „unerfahrene Parlamentarier“ ab.

SPD-Chef Siegfried Breuer räumt dagegen ein, dass die Verhandlungen mit der CDU nicht leicht würden. Strittig ist vor allem der Verkauf der Städtischen Wohnungsgesellschaft (Stäwog). Doch Breuer macht den Genossen Mut. „Die Frage ‚Verkauf der Stäwog‘ ist hier vom Tisch, das ist kein Verhandlungsgegenstand – auch wenn ich von Herrn Teiser etwas anderes gelesen habe.“

Zur Verstärkung für die Verhandlungen, die bereits am Montag beginnen sollen, hat sich Breuer Bremens parteilosen Finanzsenator Ulrich Nußbaum in die sechsköpfige SPD-Verhandlungskommission geholt. Das Thema Bildung wird dort allerdings nicht zur Sprache kommen: Das soll eine eigene „Experten-Kommission“ aushandeln. Drei Genossen sollen „in die Pflicht genommen werden, damit die sich nicht hinterher beklagen können, wenn es nicht so läuft, wie die das gerne hätten“, kündigt Breuer an.

Im Übrigen, so Breuers Seitenhieb auf die Genossen, hätte er sich mit CDU-Mann Michael Teiser auch alleine hinsetzen und was aushandeln können. Doch die Partei soll mitreden dürfen. Ein Trost: „Wenn euch der Koalitionsvertrag am Ende nicht gefällt, könnt ihr ja immer noch Nein sagen.“

Eiken Bruhn