: Wurst zum Trinken
In der deutschen Eigenheimbrauerei sind nur begrenzte Mengen steuerfrei
Gott, was sind die Deutschen nicht stolz auf ihr Reinheitsgebot. Am deutschen Brauwesen soll die Welt genesen. Und was ist wirklich dran? Zugegeben, Reinheit konnte man 1516 mit dem Mikroskop suchen – hätte es denn taugliche Mikroskope gegeben. Und weiter? Zufallsprinzip in der Verfahrenstechnologie? Keinen Weizen verwenden? Festpreise? Feste Brauzeiten vom 29. September bis zum 23. April? Ja hoppla!
Aber was geht das unseren Laien und Zeitungsleser an, der ausschließlich daheim für den eigenen Gebrauch brauen möchte? Wenigstens als Eselsbrücke nützt ihm „das älteste Lebensmittelgesetz der Welt“ (Holger Sudau), definiert es ihm einen recht übersichtlichen Zutatenkatalog mit Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser. Und gerade die Temperaturen des kühleren Halbjahres begünstigen das Eigenheimbrauen eventuell feiner untergäriger Biere. Außerdem macht Bierselbermachen genauso viel Freude wie Kuchenselberbacken, wie Marmelade-, Wurst- oder Kinderselbermachen.
Vor dem Abzweig in die Subsistenzwirtschaft hat der deutsche Gesetzgeber jedoch ein riesiges Warnschild mit dem vollen Wortlaut des Deutschen Biersteuergesetztes (BierStG) zum Auswendiglernen aufgestellt. Diesem vollen Wortlaut ist unter anderem zu entnehmen, dass Bierbrauen im eigenen Haushalt genehmigungspflichtig sei. Nein: ist. Und jetzt kommt’s: Steuerfrei eigenheimgebraut werden dürfen 25 Liter monatlich. Vorausgesetzt, man braut nicht monatlich, oder die heimgebraute Biermenge überschreitet nicht 200 Liter jährlich.
Moment, halt, stopp, noch mal, wie jetzt?! Zum langsam Mitlesen: 25 Liter auf den Monat sind nicht steuerpflichtig, legt der Heimbrauwillige entweder mindestens einen Monat pro Jahr Pause ein. Braut er nur 24,99 Liter pro Monat, entfällt diese lästige Unterbrechung. Oder, andere Variante, er braut monatlich, aber aufs ganze Jahr besehen nicht mehr als 199,99 Liter.
Egal ob der Eigenheimbrauer 24,99 oder 25 Liter braut und monatlich oder mit einem Monat Unterbrechung oder ob er es beim einmaligen Erlebnis belässt, dem zuständigen Hauptzollamt ist in jedem Fall, möglichst vorab, Meldung zu erstatten. Mit Dienstgrad, Name, Datum, Rand plus avisierte Biermenge und Bierart – als wüsste das jeder vorher detailliert genau. An die gehörige Portion Glück, die jede Genuss- und Lebensmittelbereitung flankieren muss, denkt freilich keiner, am wenigsten der Gesetzgeber. Getränkekreationen außerhalb des Geltungsbereichs Deutscher Reinheitsgebote (Obst- und Gemüseapplikationen, Reis-, Mais-, Hafer-, Hirsezusätze) fallen nicht unter diese Regelung. Der Gesetzgeber vertritt zudem die Ansicht, die Rohstoffe mögen nicht gemeinsam von den Händlern vertrieben werden, und wenn doch, dann solle bitte schön der ausdrückliche Hinweis unterbleiben, man könne mit dem Malzhefehopfentriumvirat Bier daheim brauen.
Sagenhafte Albernheiten, wohin das daseinsgeprüfte Auge schweift. Aber auf sowas sind die Deutschen ja besonders stolz.
MICHAEL RUDOLF