zahl der woche
: Im Garten des Kraken leben Millionen Unbekannte

Warum in die Ferne schweifen, das Unbekannte ist doch so nah. Während die Menschheit mit immensem technischen und finanziellen Aufwand immer weiter in die Tiefen des Weltalls vordringt, sind unsere Kenntnisse über die Lebensräume nur wenige Meter jenseits der von Menschen bewohnten Habitate erschreckend gering: im Meer, dem „Garten des Kraken“.

Das ändert sich jetzt. Denn: Meeresbiologen aus aller Welt entdecken derzeit im Schnitt jede Woche 30 neue, bisher in der wissenschaftlichen Literatur nicht beschriebene Arten.

Dahinter steckt das auf zehn Jahre angelegte Projekt „Census auf Marine Life“. Rund 300 Wissenschaftler aus 53 Ländern wollen alle Lebensformen, die in den Weltmeeren eine Heimat haben, entdecken. Dann werden sie alle in einer Datenbank gespeichert. Vorgestern legten die Artenzähler der Meere ihre erste Zwischenbilanz in Washington vor, Startschuss des Forschungsprojektes war bereits vor über drei Jahren.

Wissenschaftler schätzen, dass es in den Meeren über zwei Millionen verschiedene Lebensformen gibt. Lediglich 210.000 marine Tier- und Pflanzenarten sind bisher bekannt, davon gehören 15.300 zu den Fischen.

Bis zum Ende des Projekts im Jahre 2010 werden 2.000 bis 3.000 neue Fischarten hinzugekommen sein, hoffen die Verfasser der Zwischenbilanz. Dann werden immer noch zirka 2.000 ausstehen: die Gesamtzahl der marinen Fischarten wird auf 20.000 geschätzt.

Zu den neu entdeckten Arten gehören einige spektakuläre Funde. Zum Beispiel mehrere fußgroße achtarmige Kopffüßer, die so genannten Oktopoden. Sie leben in den Tiefen des Nordatlantiks. Oder ein neun Meter langer Tintenfisch. Der ist gleich in neun verschiedenen Gewässern auf der ganzen Welt gefilmt worden. Mit seinen riesigen Ohren und einem langen Saugrüssel erinnere er an einen großen Elefanten, berichtete der Projektleiter Ron O Dor.

Bei aller Freude über die Funde – die Wasserforscher wissen aber auch, dass ein großer Teil der im Ozean beheimateten Lebensformen für lange Zeit noch das Geheimnis ihrer Existenz wahren werden.

Vieles von dem, was nur unter leistungsstarken Mikroskopen erkennbar ist, Phytoplankton oder Bakterien etwa, wird den Forschern auch bis zum Ende des Projektes „durch die Lappen“ gehen. Die Anzahl der verschiedenen Mikroorganismen kann noch nicht einmal halbwegs realistisch geschätzt werden.

WOLFGANG LÖHR