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Archiv-Artikel

Hessens Beamte ohne Kopftuch

Wiesbaden verabschiedet heute das umfassendste Kopftuchverbot: Keine Staatsdienerin darf im Amt ihr Haar verhüllen. CDU: gegen „christliche Tradition“

BERLIN taz ■ Hessische Beamtinnen müssen künftig barhäuptig dem Staat dienen. Selbst wenn sie nicht Kinder unterrichten, sondern Steuererklärungen prüfen oder Pässe ausstellen. Das sieht ein Gesetz vor, das die CDU-Fraktion heute im Landtag verabschieden will. Es wäre das umfassendste Kopftuchverbot überhaupt. Mit ihrer absoluten Mehrheit kann die Union das Gesetz erzwingen – auch wenn alle anderen Landtagsfraktionen es vehement ablehnen.

Die SPD etwa ist sich mit der FDP einig: Ein Kopftuchverbot sei allein für Lehrerinnen richtig. Das Recht der Schüler, weltanschaulich neutral unterrichtet zu werden, stehe über dem Grundrecht der Pädagogin, ihre Religion zu leben. Diese Interpretation könne aber nur für Beamtinnen gelten, die moralisches Vorbild sind. Die FDP ist zuversichtlich: „Sobald die erste hessische Beamtin klagt, dürfte das Gesetz kippen“, sagte FDP-Sprecherin Ulrike Franz-Stöcker.

CDU-Fraktionschef Franz-Josef Jung hingegen nennt das Kopftuch ein „aggressives Symbol“, das „für Unfreiheit“ stehe und der Verfassung widerspreche. Die Union will daher neue Passagen in das Beamtenrecht einfügen: „Beamte haben sich im Dienst politisch, weltanschaulich und religiös neutral zu verhalten.“ Vor allem dürften sie keine „Kleidungsstücke“ und „Symbole“ tragen, die „den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Frieden gefährden“.

Das bedeutet jedoch nicht, dass die Union alle Religion gleich behandeln will. Vielmehr sei der „christlich und humanistisch geprägten Tradition des Landes Hessen angemessen Rechnung zu tragen“, steht in dem Entwurf.

Und genau das unterscheidet ihn von dem bislang rigidesten Kopftuchverbot in Berlin. Zwar hat die Hauptstadt ein Gesetz beschlossen, dass das Kopftuch nicht nur aus der Schule, sondern auch aus Polizei und Justiz verbannt. Lediglich Kita-Erzieherinnen dürfen es weiterhin tragen. Anders als in Hessen aber verbietet Berlin sämtliche religiösen Symbole, die muslimischen ebenso wie die jüdischen und christlichen.

„Das CDU-Gesetz ist unsäglich. Warum darf eine Beamtin der Wasserbehörde kein Kopftuch tragen, während sie am Fluss eine Probe entnimmt?“, fragt Elke Cezanne, Sprecherin der Grünen-Fraktion in Wiesbaden. Für Lehrerinnen müsse gelten: „Entweder wir erlauben allen ihre religiösen Symbole – oder wir verbieten sie allen, den Christen wie den Muslima.“

Praktisch relevant ist das Verbot derzeit nicht. Denn noch arbeitet in Hessen keine einzige Lehrerin mit Kopftuch. Auch aus den Amtsstuben seien keine Klagen bekannt, bekräftigt Cezanne: „Wir reden über Theorie, nicht übers Leben.“ COSIMA SCHMITT