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Archiv-Artikel

Keine Tiefflüge im Bombodrom

Das Verteidigungsministerium unterliegt im Rechtsstreit um Deutschlands größten Luft-Boden-Schießplatz im nördlichen Brandenburg. Lenkt es nicht ein, könnte das juristische Hickhack vor dem Bundesverwaltungsgericht in die letzte Runde gehen

VON SABINE AM ORDE

In dem bereits 15 Jahre dauernden Rechtsstreit um den Truppenübungsplatz „Bombodrom“ im nördlichen Brandenburg muss die Bundeswehr eine weitere schwere Niederlage einstecken. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg untersagte dem Verteidigungsministerium am Freitag den Ausbau des Areals in der Nähe von Rheinsberg zu Deutschlands größtem Luft-Boden-Schießplatz. Das Gericht wies damit die Berufung des Ministeriums gegen drei Urteile des Potsdamer Verwaltungsgerichts ab.

Die Bundeswehr will auf dem ehemaligen sowjetischen Truppenübungsplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide bis zu 1.700 Übungseinsätze pro Jahr durchzuführen. Jeder von ihnen kann bis zu fünf Tiefflüge in mindestens 150 Meter Höhe umfassen, dabei sollen auch Übungsbomben abgeworfen werden.

Das juristische Hickhack könnte aber weitergehen. Das OVG ließ eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht zu. Eine Sprecherin wollte sich am Freitag noch nicht festlegen, ob das Verteidigungsministerium weiterklagt.

Zahlreiche Gemeinden, Unternehmen und Naturschützer wehren sich seit 1992 gegen eine erneute militärische Nutzung des Areals. Sie befürchten besonders durch die Lärmbelästigung schwerwiegende Schäden für Gesundheit, Umwelt und Tourismus. Ihr Anwalt verwies darauf, dass die Bundeswehr bereits 24-mal vor Gericht verloren habe.

Der Präsident des OVG, Jürgen Kipp, kritisierte, dass in dem Konzept der Bundeswehr Interessen von Anwohnern, Gemeinden und Firmen außer Acht gelassen worden seien. Zwar hätten die verteidigungspolitischen Interessen hohes Gewicht. „Das kann aber nicht dazu führen, dass kleinere, individuelle Probleme nicht beachtet werden.“ Gerade die Lärmauswirkungen seien nicht untersucht worden.

Die Bundeswehr verfügt neben Wittstock über zwei weitere Luft-Boden-Schießplätze im niedersächsischen Nordhorn und im bayerischen Siegenburg. Das Verteidigungsministerium argumentiert jedoch, dass Wittstock wegen seiner Größe von über 14.000 Hektar das einzige Gelände sei, auf dem Kampfflugzeug-Besatzungen Einsätze unter realistischen Bedingungen und im Verbund mit anderen Truppenteilen wie der Flugabwehr trainieren könnten.

Bürgerinitiativen begrüßten das Urteil. Nun müsse die Politik ihrer Verantwortung gerecht werden und die „Bombodrom“-Pläne beerdigen, forderte Benedikt Schirge von der „Freien Heide“. Ähnlich äußerten sich auch die Ministerpräsidenten von Brandenburg, Matthias Platzeck, und Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (beide SPD), sowie Politiker von SPD, Linken und Grünen.