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Archiv-Artikel

Kinder als unkalkulierbares Risiko

Die Stadt wächst, das Kita-Chaos auch: Neue Studie prognostiziert höhere Bevölkerungszunahme in Hamburg und vor allem mehr zusätzliche Kinder. Damit nimmt der Bedarf an Kita-Plätzen erheblich zu. Senat steht vor neuer Finanzierungslücke

Die Stadt wird jünger und die Kita-Problematik damit noch größerAllein im nächsten Jahr wären etwa 600 zusätzliche Plätze in Krippen erforderlich

von sven-michael veit

Die Versorgung mit Plätzen in der Kinderbetreuung in Hamburg steht vor wachsenden Problemen. Erheblich mehr Kinder unter 15 Jahren als bisher prognostiziert werden in den kommenden vier Jahren in der Hansestadt leben. Das prophezeit die aktuelle 10. Bevölkerungsvorausschätzung des CDU-Senats. Deren für die Kita-Versorgung relevante Teile wurden jetzt so nebenbei veröffentlicht in der Antwort auf eine kleine Anfrage der SPD-Abgeordneten Andrea Hilgers. „Hier droht ein unkalkulierbares Risiko“, interpretiert Hilgers die neuen Daten.

Nach dem Zahlenwerk des Senats (Details siehe Kasten) ist in den kommenden vier Jahren mit einem stetig wachsenden Anteil der Null- bis 15-jährigen Kinder zu rechnen. Gegenüber früheren Schätzungen erhöht sich die Steigerungsrate kontinuierlich von 1,7 Prozent im nächsten Jahr auf 3,8 Prozent im Jahr 2008. Besonders hoch wird die Zunahme der Neugeborenen veranschlagt: Nächstes Jahr werden 6,4 Prozent mehr Kinder unter drei Jahren in der Hansestadt leben als bislang gedacht, im Jahr 2008 liegt das zusätzliche Plus bereits bei 11,6 Prozent. Die Stadt wird jünger und die Kita-Problematik damit noch größer.

Offiziell behauptet der Senat in seiner Bewertung, diese „Veränderungen“ würden die mittelfristige Finanzplanung insgesamt nicht wesentlich verändern“. Zugleich aber räumt er ein, dass er eine Neuplanung der Kinderbetreuung „mit ihren Auswirkungen auf den Haushaltsplan 2005/2006“ gesondert und „zeitnah“ vorlegen wolle. Denn dieser Etatentwurf, der im Dezember abschließend in der Bürgerschaft beraten und verabschiedet werden soll, basiert auf den Daten der vorhergehenden – niedrigeren – Bevölkerungsschätzung und ist somit nunmehr überholt.

Das daraus erwachsende Haushaltsrisiko sei in Euro und Cent aber „jetzt noch nicht konkret zu benennen“, sagt Maik Woywod, Sprecher der Finanzbehörde. Zumal noch niemand wisse, „wie viele“ der zusätzlichen Kinder für einen Platz in Krippe oder Hort angemeldet würden, ergänzt Anika Wichert, Sprecherin der für die Kitas zuständigen Sozial- und Familienbehörde. Allerdings, räumt sie ein, könne der „Versorgungsgrad“ als Maßstab genommen werden.

Derzeit werden etwa 20 Prozent aller Null- bis Dreijährigen in Krippen betreut. Um diese Marge im nächsten Jahr zu halten, wären etwa 600 zusätzliche Plätze erforderlich. Mehrkosten von „sechs bis acht Millionen Euro im nächsten Jahr“ schätzt deshalb Hilgers. Die Beträge könnten über die Kostensätze „pro Kopf/pro Platz“ erst seriös beziffert werden, wendet Wichert ein, wenn die Verhandlungen mit den Kita-Trägern abgeschlossen sind. Die aber ziehen sich noch hin. Bislang bietet die Behörde für 2005 330 Millionen Euro an – weniger als im laufenden Jahr und rund 30 Millionen weniger, als die Träger fordern. Deshalb wird auch die Absenkung der Betreuungsstandards und die Vergrößerung der Kindergruppen erwogen.

Wichert ist zuversichtlich, dass „eventuell bis Dezember“ Verhandlungsergebnisse vorliegen. Danach könnten die Kosten auch für die zusätzlichen Kinder hochgerechnet und in einer Ergänzungsdrucksache der Bürgerschaft für die Haushaltsberatungen vorgelegt werden.

Hilgers vermag das nicht wirklich zu beruhigen. Da drohe, fürchtet die SPD-Abgeordnete, „Kita-Chaos Teil zwei“.