schmickler macht ernst
: Motto: Augen zu und durch

WILFRIED SCHMICKLER: Der Mann mit der Axt holzt für die taz

Zwei Wochen ist es jetzt her, dass in Köln die Wähler „gesprochen“ haben, und bis heute fragt man sich in den diversen politischen Gremien, was zum Teufel die Wähler gemeint haben. Klar, die eine Hälfte hat gar nicht gesprochen, sondern sich mit einem verdrossenen „Ach, leckt mich!“ der Stimme enthalten. Aber die anderen, die – wie es sich gehört – ihre Stimme abgegeben haben, die haben anscheinend ein Riesendurcheinander angerichtet.

Denn statt ihren Willen eindeutig und unmissverständlich zu formulieren, haben der Kölner Wähler und seine Frau, die Kölner Wählerin, ganz offensichtlich in Rätseln gesprochen, Rätsel, an deren Lösung die neu gewählte Mandatsträgerschaft seit 14 Tagen herumdoktert. Und die Ergebnisse der Raterei im Rätselrat könnten unterschiedlicher gar nicht sein. Da plädiert der famos abgewatschte Schrammafritz für schwarz-rot, seine erfreulich geschrumpfte Ratsfraktion für schwarz-grün und SPD-Börschel Börschel will auch schwarz-rot-grün „nicht von vorneherein ausschließen“. Groß, größer, am größten – welches Elend soll es sein? Selbst so eine abstruse Kombination wie rot-grün-rot gespenstert da plötzlich über die Flure des Rathaus. Die „kölsche Volksfront“ – ich lach mich tot!

Eins hat das Wählervotum vom 26sten September auf jeden Fall hervorgebracht: Gesprächsbedarf! Also wird erst einmal gesprochen. Und zwar in aller Ruhe. Denn wie spricht beispielsweise Müllers Jupp, der alte CDU-Bürgermeister: „Uns treibt doch keiner. Wir haben Monate Zeit!“ Na, das kann ja eine schöne Zeit werden. Jeder spricht erst einmal mit jedem. Also nicht jeder mit jedem. Grün spricht zum Beispiel nicht mit gelb, und grün spricht auch nur dann mit rot und schwarz, wenn die Gespräche „auf Augenhöhe“ stattfinden. Da ist die SPD anders, die spricht sogar mit der PDS. Dieses Gespräch kann ich mir übrigens richtig gut vorstellen. PDS: „Gewerbesteuer rauf!“ SPD: „Nein!“ PDS: „Danke.“ SPD: „Gut, dass wir mal drüber gesprochen haben!“

Die einzigen, mit denen keiner spricht, sind die Mitglieder der Pro-Köln-Fraktion. Die haben zwar immerhin recht extreme 4,7 Prozent auf ihrem braunen Fraktionskonto, aber die sind in Wahrheit ja gar nicht pro Köln, sondern Protest. Und weil nicht sein kann, was nicht sein darf, deshalb wird diesen „Wölfen im Schafspelz“ konsequent alles verweigert, was ihnen eigentlich zusteht. Keine Fraktionsbüros, kein Telefon, kurzum sie werden behandelt, als ob sie gar nicht existierten. Des Wählers Wille – ne Blindenbrille!

Augen zu und durch! Eine Nazi-Fraktion im Kölner Rat? Ein Haushaltsloch von 500 Millionen? Ein verwaistes Kulturdezernat? Eine zunehmende Verrohung der jugendlichen Subkulturen? Ein drohender Kahlschlag in allen Bereichen der Sozialpolitik? Wie sagt schon der CDU-Fraktionschef Herbert Gey: „Wir haben keinen Druck!“ Na, da bin ich aber froh!