: Kein schöner Land
Vahid Hashemian vom FC Bayern München ist einer der besten Fußballer seines Landes. Der Iraner schwärmt von seiner Heimat und schimpft über seinen Verband, mit dem er jahrelang im Clinch lag
AUS MÜNCHEN JÖRG SCHALLENBERG
Wenn Vahid Hashemian über seine Heimat Iran spricht, dann kann er richtig ins Schwärmen geraten: „Wir haben Berge, wir haben die Wüste, wir haben das Meer – und das alles in einem Land. Im Süden kann man schwimmen und im Norden Ski fahren, zur gleichen Zeit.“ Das ist kein Gesülze aus dem Werbeprospekt: Hashemian liebt seine Heimat, man erkennt es am Leuchten seiner dunklen Augen.
Wenn der Stürmer, der vor dieser Saison zum FC Bayern gewechselt ist, allerdings über die iranische Fußballnationalmannschaft spricht, der er seit kurzem wieder angehört, verdüstert sich seine Miene rasch: „Wir sind immer nur so Platz zwei, drei, vier in Asien.“ Das ist dem ehrgeizigen Hashemian, der es, wie er selber sagt, lieber schwer bei Bayern als einfach bei Bochum haben will, nicht genug – und deshalb fiebert er dem Länderspiel heute Abend gegen Deutschland auch nicht so richtig entgegen: „Das ist ein ganz normales Spiel für mich, nichts Besonderes.“
Da untertreibt der 28-Jährige: Das Match vor über 100.000 Zuschauern in seiner Geburtsstadt Teheran stellt für Vahid Hashemian schon deshalb etwas Besonderes dar, weil es erst sein zweiter Einsatz in der Nationalmannschaft nach einer dreijährigen Pause ist. So lange hatte er sich trotz heftigem Druck von Medien und Politikern geweigert, für Iran zu spielen, weil er mit den Fußballfunktionären daheim über Kreuz lag.
Hashemian passte der autoritäre Umgang mit den Spielern nicht, außerdem hält er den Verband bis heute für einen Haufen von Chaoten – auch wenn er das nie so formulieren würde. Er sagt es so: „Es gibt in Iran unglaublich viele talentierte Spieler. An jeder Straßenecke wird gespielt. Wenn man das nur ein bisschen organisieren würde, könnten wir eine Nationalmannschaft haben, die noch viel stärker ist.“ Er weiß, wovon er spricht: Auch Hashemian landete erst mit 16 Jahren eher zufällig bei einem Verein.
Die Nationalmannschaft, in der sich alles um den Mittelfeldstar Karimi dreht, ist durch Hashemians Rückkehr schon ein wenig besser geworden: Bei seinem Comeback vor einem Monat in der WM-Qualifikation gegen Jordanien zitterte das Team bis in die Nachspielzeit. Dann zirkelte Hashemian eine scharfe Flanke auf den Kopf von Ex-Bayern- und -Hertha-Profi Ali Daei, der den Ball zum erlösenden 2:0 versenkte. Was auf den ersten Blick eine verblüffende Kombination ergibt – denn eigentlich ist der enorm kopfballstarke Hashemian derjenige, der im Strafraum auf die Flanken wartet.
Aber er hat in seinen fünf Jahren in Deutschland gelernt, flexibel zu spielen und öfter mal auf die Flügel zu gehen. Was anderes blieb ihm auch nicht übrig, denn auf seiner geliebten Mittelstürmerposition stand immer jemand im Weg. Als er 1999 vom Pas-Club Teheran zum Hamburger SV kam, hatte er Anthony Yeboah vor der Nase, jetzt ist es der unfassbar treffsichere Roy Makaay – und in der Nationalelf eben Ali Daei, eines der größten Idole im iranischen Fußball.
Aber der wird schon aus Altersgründen irgendwann den Weg frei machen für Hashemian – wenn der denn will. Dass ihn jene Zeitungen, die ihn eben noch verdammten, nach seinem Comeback nun zum Helden hochjubeln, irritiert den nachdenklichen Profi eher, als dass es ihn freut: „Ich hatte nie ein Problem mit meinem Land, sondern mit dem Verband.“ Bis heute.
Denn auch seine Rückkehr in die Nationalelf soll nicht ganz freiwillig erfolgt sein. Eine Woche vor dem Jordanien-Länderspiel war sich Hashemian noch sicher, dass er nicht spielt. Doch nach dem Wechsel zum auch in Iran hoch angesehenen FC Bayern ist ihm anscheinend in scharfem Ton nahe gelegt worden, endlich zurückzukommen. „Sie können sich nicht vorstellen, was da hinter den Kulissen los ist“, stöhnte jüngst ein Bayern-Offizieller, und Trainer Felix Magath sieht in dem Hickhack mit dem Verband gar den Grund für Hashemians durchwachsene Leistungen in dieser Saison: „Die setzen ihn so unter Druck, dass er sich nicht konzentrieren kann.“
Hashemian will dazu nichts mehr sagen: „Jetzt ist wieder alles okay, wunderbar.“ Das klingt so glaubwürdig, als wenn er behaupten würde, dass in seiner Heimat plötzlich die Demokratie ausgebrochen wäre. Hashemian spürt das, deswegen setzt er noch fast trotzig hinzu: „Ich spiele gern für Iran.“ Ist ja auch schön da. Zumindest die Landschaft.