: Pluralistisches Sofa
Buchmessern (5): Das Aneinandervorbeireden der Kulturen oder: Wo sind hier eigentlich die Hofdichter?
Welches Feuilleton man vor der Buchmesse auch aufschlug, stets stieß man auf einen arabischen Exilschriftsteller, der die nahende Präsentation der „arabischen Welt“ in den düstersten Farben ausmalte. Doch, nein, die Arabische Liga hat den kritischen Diskurs nicht verhindern können – genauso wenig, wie der traditionell hohe Alkoholkonsum auf der Buchmesse durch so viele Muslime beeinträchtigt wurde (für die sogar eigens ein Gebetsraum eingerichtet wurde).
Im Gegenteil: Es gehört zu den Paradoxien der diesjährigen Buchmesse, dass vorwiegend jene Exilautoren im Rampenlicht standen, die sich im Vorfeld so bitterlich beklagt hatten. Die Suche nach den ominösen Hofdichtern, von denen so viel die Rede war, gestaltete sich dagegen eher schwierig: Für den Laien waren sie einfach nicht auszumachen.
Sicher fehlten einige kritische Stimmen aus der Region, die aufgrund der undurchsichtigen Einladungspolitik nicht gekommen waren. Die tunesische Autorin Sihem Bensedrine etwa klagte, am Stand ihres Landes würden nur die offiziellen Zensoren stehen. Doch bei dem Überangebot, das bei der Frankfurter Buchmesse herrscht, macht es, zynisch gesprochen, überhaupt keinen Unterschied, ob nun ein Oppositioneller mehr oder weniger kommt. Selbst in den Hallen, in denen sich die arabischen Verlage aufgebaut hatten, herrschte ein wildes Durcheinander der Meinungen. So hatte die Zeitschrift Index on Censorship eigens zur Buchmesse ein Sonderheft auf Arabisch produziert. Ihr Stand war ausgerechnet neben Syrien und Saudi-Arabien postiert – zwei Ländern, in denen sie das Heft garantiert nicht durch die Zensur bekäme, wie die Dame am Stand lächelnd bestätigte.
Dieser Pluralismus war nun sicher nicht der Arabischen Liga zu verdanken, deren Präsentation sich eher enttäuschend gestaltete. Aber so blieb es eben dem Goethe-Institut, den politischen Stiftungen und anderen Initiativen überlassen, den Dialog zu bestreiten. Die Orient-Zeitschrift Zenith etwa lud zu einer Debatte, die der originellen Frage gewidmet war, ob es in den deutschen Medien bereits zu viel Nahost-Berichterstattung gäbe. Eine These, der sich erstaunlich viele der Journalisten auf dem Podium anschließen konnten, wobei der Tenor lautete: Eine bessere Berichterstattung tue Not, aber die zeige sich nicht in der Menge an täglichen Nachrichtenschnipseln aus dem Irak und Israel, die doch nur den immer gleichen Eindruck bestätigten, wie Stern-Redakteur Christoph Reuter sein Fazit formulierte. Gefragt seien eher mehr einordnende Analysen, die einen tieferen Einblick erlaubten.
Davon gab es bei der Buchmesse reichlich: Ob nun der irakische Journalist Najem Wali am Zeit-Stand oder der französische Soziologe Gilles Kepel auf dem Blauen Sofa, alle gaben sie ihre Einschätzungen zur Lage im Irak oder der Zukunft von al-Qaida ab. Bei so viel Fokus auf die Politik kam die Literatur natürlich ein wenig zu kurz. Doch auch die profitiert von der Aufmerksamkeit. Am Stand von Klett-Cotta etwa dezimierte sich die Zahl der Exemplare von „Das Sonnentor“, dem viel gelobten Roman des libanesischen Schriftstellers Elias Khoury, innerhalb kurzer Zeit doch beträchtlich: ein untrügliches Zeichen für das gestiegene Interesse. DANIEL BAX