piwik no script img

Archiv-Artikel

Vielen Dank auch, Anke

Das Ende von Anke Engelkes „Anke Late Night“ (Sat.1) ist eine Erlösung – vor allem für die Zuschauerinnen. Was Engelke da als Role Model präsentierte, war ein unwürdiges Schauspiel – und konnte selbst überzeugte Postfeministinnen wieder zum Feminismus bekehren

VON SUSANNE LANG

„Plötzlich hab ich selbst mit den Begriffen A-, B- und C-Prominente hantiert. Wer bin ich, dass ich das beurteilen darf? Da müssen wir mal kurz Definitionen checken, um mit Woody Allen zu sprechen. Warum hört das Alphabet da bei C auf?“ (Anke Engelke in der Zeit (25. März)

Dummerweise ließ sich Anke Engelke, die Comedy-Queen und Top-lustig-Frau Deutschlands, von der ihr angetragenen Krone, jener der „Late Night“-Königin, erdrücken. Dabei hätte sie so manches Mal doch glatt einen Denkanstoß zu bieten gehabt. Ja, warum hört das Alphabet da – in Bezug auf Shows wie „Das Dschungelcamp“, über die Engelke in jenem Zeit-Interview räsonierte – bloß auf? Bis F sollte das Show-Personal-Alphabet doch allemal erweitert werden, wie man seit Beginn von Engelkes Nachtplauderei vor fünf Monaten allabendlich sehen konnte. Spätestens jedenfalls seit ihrer Rückkehr aus der Sommerpause, nach der die Show reloaded und generalüberschminkt für die doch endlich erhoffte Quote „klein, weiblich, gut“ über Sat.1 ging: F wie Frau im Fernsehen.

Und so sieht die dann aus: Anke, immer auf „A girlies best friend“-Vornamen reduziert, die Erste, die sich ein zur Männerdomäne stilisiertes Fernsehformat, die „Late Night Show“, erobert habe. Die so klug, so witzig, so provokativ obszön sei, dass es nicht nur bei Ladys krache. Und, ja auch das, so schön, so attraktiv, wie ebenso lange und redundant geschrieben wurde, bis es Konsens und Prämisse aller zukünftigen Talks über „Late Night“ war. Allein: Sie selbst war es, die den Unterschied zu ihrem Vorgänger Harald Schmidt auf die Geschlechterdifferenz reduzierte: „Ich bin eine Frau.“ Die Rolle der Engelke für die „Late Night Show“ war also früh klar abgesteckt: die der Frau. Der Maßstab, an dem sie nicht nur gemessen wurde, sondern gemessen sein wollte. Vorsorglich abgesichert mit der Absolution der Feministen-Ikone Alice Schwarzer, mit der sie ein längeres Gespräch in der Emma führte. Die Postfeministin spricht mit der Feministin über Sex, über Provokation, über Erfolg und Familie, Ehe und Exmänner in den Medien sowie langsames Altern als Frau vor der Kamera. „Ich will kein Model sein, ich will ein Role Model sein“, sagte sie tapfer zu Frau Schwarzer. Zwei Role Models unter sich, die beide ja irgendwie nur Frau sein wollen dürfen. Darf man bitte mehr erwarten?

Darf man bitte mehr erwarten?

Nun, nach dem Flop von „Anke Late Night“, ist angesichts dieser selbst gewählten Rolle ja nicht einmal so etwas wie Empörung möglich, wenn ganz selbstverständlich Statements wie „Anke Engelke ist eine Frau“ (Berliner Zeitung) die Diskussion um die Frage nach dem „Warum gescheitert“ bestimmen. Oder auch: „Gesucht: das Format für eine Frau“ (Frankfurter Rundschau); oder lieber vielleicht: „Das Grunddilemma blieb: Wer will sich abends von einer Frau die Welt erklären lassen?“ (Süddeutsche Zeitung). Dabei hatte die SZ doch nur frech geantwortet auf die Forderung der Moderatorin Charlotte Roche, es sei endlich an der Zeit, dass eine Frau die Welt erklären müsse.

Warum eigentlich?, wollte man da schon nachfragen. Vorausgesetzt, es würde Wert gelegt auf Welterklärung, was man angesichts des Formats „Late Night Show“ schon einmal in Zweifel ziehen sollte, vorausgesetzt also, es würde Wert gelegt auf eine Frauenstimme in der großen Fernsehwelterzählung, dann muss man erschöpft von fünf Monaten Frau-im-Fernsehen-Sein-Schauen einfach nur konstatieren: Ja, vielleicht von einer Frau, gewiss aber nicht von dieser – von diesem Role Model, das regelmäßig nachts so weit in den Ausschnitt des Oberteils blicken ließ, dass selbst Frau seltsam berührt hätte Angst bekommen können. Irgendwann war’s dann auch der BH-Träger, der sich ach so obszön auf der Schulter zeigte und sogar Zuschauerinnen schaffte, die eigentlich hofften, dass die alten feministischen Diskurskämpfe längst in einer emanzipierteren Gegenwart angekommen wären: Anke Engelke, die erfolgreiche Postfeministin, die ganz offen akzeptieren konnte, dass sie selbstverständlich Männern ihren Job verdanke, wenn jene nun mal, realistisch betrachtet, die Führungsebenen auch im Fernsehen dominieren. Die das, ganz ohne devot zu sein, feststellen konnte, weil dies keine Rolle spielt, solange man in der erreichten Position seinen Einfluss geltend machen will. Diese Illusion hat keine so zerstört wie Anke Engelke mit „Anke Late Night“. Egal ob des Quotendrucks wegen, des Privatsenderkorsetts wegen oder gar der eigenen Vorstellung von Meinungsäußerung wegen.

Anke Engelke, die berufstätige Frau, die Kind und Mutterrolle vereinbaren konnte. Die sich eine Stimme im Fernsehen erarbeitet hatte. Und genauso schnell wieder verschenkt hatte. Irgendwann provoziert das schöne F-Wort auch aus dem Munde einer Frau im Fernsehen peinlich wenig.

Was bleibt nun nach dem großen Frauenfeldzug? Leider kaum mehr als die Erkenntnis, dass sich Frau eben immer noch gerne nur als Frau thematisiert: Die „Engelkes“ – Starke Frauen äußern sich zu den aktuellen Themen unserer Zeit. Seltsam nur, dass niemand im Show-Umfeld von „Anke Late Night“ eine leise Ahnung beschlichen hat, dass vielleicht die Themen der Zeit Priorität einnehmen könnten, nicht zwingend die Frauenstimme dazu. Was bleibt, ist auch die Erkenntnis, dass das Role Model Engelke eine schon längst abgearbeitet gedachte Position im Geschlechterdiskurs wieder aufleben ließ: Frauen sind unpolitisch.

Tapfere Frau wird belohnt

Und dies passt ja auch so schön in eine Fernsehwelt, die auf allen Sendern zunehmend Kitschformate für den und aus dem Frauenalltag ins Programm wuchten. Armes einfaches Mädchen kriegt irgendwann ihren reichen Retter im öffentlich-rechtlicher Telenoleva-Terror (taz berichtete). Oder aber, im mittlerweile bekennenden Gender-Sender Sat.1: Tapfere Frau kriegt irgendwann ihre Belohnung, wenn sie sich lang genug von ihrem dicken, peinlichen angeblich Verlobten das Leben schwer machen lässt („Mein dicker, peinlicher Verlobter“). Und: Trennungsbereite Frau muss irgendwann ihren Mann wieder zurücknehmen, nachdem er sich in einem Besserungscamp beibringen ließ, wie man modern wird, aber Macho bleibt („Kämpf um deine Frau“; „Anke Late Night“ berichtete ausführlich).

Starke Frauen, schwacher Text

So manches Mal sah es aber doch schon so aus, als fände Anke Engelke einen Weg, die „starken Frauen“-Stimmen passend einzusetzen, nämlich dann, wenn die Frau in anderen Diskursen, von anderen Akteuren als solche thematisiert wird. Vor Sendestart erzählte sie beispielhaft von ihren Einspielfilmchen, die sie gerade probte: Ihre „Öko-Ruth“ mit den Rastazöpfchen lasse sie darüber reflektieren, was denn unter feministischen Aspekten aus dem Job der Bundespräsidentengattin werde, falls Gesine Schwan die erste Bundespräsidentin würde. Weswegen sie selbstverständlich gegen Schwan sei. Außer die wäre wiederum lesbisch. Tatsächlich, auf Sendung hingegen, äußerten sich Öko-Ruth und all die anderen Engelkes schließlich zum Sexleben des Papstes, zu den Beckhams oder aber – hey – auch mal zu Fußball.

Die Frau als Frau ist am Ende

Wohin diese Alter-Ego-Stimmen unter anderem das Role Model Engelke führten – zynischerweise –, durfte man gestern auf Seite 1 der Bild bestaunen: Die Frei-Brustwild-fotomontierte Anke Engelke als Seite-1-Mädchen. Zynischerweise, denn diese Montage bezog sich auf einen tatsächlich bemerkenswerten Stand-up-Auftritt von Engelke, als sie sich nach der Bekanntgabe des Show-Endes selbstironisch (in Bezug auf ihre Frauenrolle) wie selten zuvor, als Seite-1-Mädchen empfahl, wenn es mal wieder nicht so gut laufe. Und ihr Publikum stellvertretend für den nachtretenden Boulevard als „Elendstouristen“ beschimpfte.

Vielleicht aber symbolisiert Anke Engelke mit ihrem Show-Ende im Nachhinein ja doch noch mehr, als man sich erwartet hatte nach all ihren Vorankündigungen und Abdankungen: den Anfang vom Ende der Frau als Frau. Nicht nur im Fernsehen. Und irgendwann später, in ferner Zukunft, könnten Literaturnobelpreisträgerinnen ihre Auszeichnung nicht mit dem Unbehagen entgegennehmen, sie aufgrund der Tatsache verliehen bekommen zu haben, eine Frau zu sein. Und Frau Merkel wiederum geriete in so einer Zukunft noch nicht mal mehr in die Versuchung, darüber nachzudenken, ob die Zeit es nicht doch nahe legte, ihre Kandidatur für das Amt des Bundeskanzlerin im Frauenfernsehen bekannt geben zu müssen. Dafür wäre dann ja wieder die mediale Politikbühne zuständig. Und Anke Engelkes Show-Alphabet dürfte wieder bei C enden:

C wie Comedy-Prominenz.