Basis bangt um Volkspartei CDU

Bei einer Regionalkonferenz in Hamm kritisieren Unionsmitglieder die Parteichefin Angela Merkel. Ihr Kurs orientiere sich zu sehr am Markt. So verliere die CDU den Rückhalt der Massen

„Marktradikale und Neoliberale haben in der CDU die Oberhand“

AUS HAMM ANDREAS WYPUTTA

Es war kein guter Tag für Angela Merkel: Auf der ersten von sieben Regionalkonferenzen der CDU musste die Parteichefin heftige Kritik der Basis am sozial- und wirtschaftspolitischen Kurs der Union hinnehmen. Auch Vertreter des Arbeitnehmerflügels wie Hermann-Josef Arentz, Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), warnten, die Union gefährde ihren Charakter als Volkspartei: „Wir wollen keine FDP sein. Die bekommt sieben Prozent.“ Als „Hejo“ Arentz dann das „Abfindungskartell der Manager“ geißelt und deren „Mithaftung“ für Fehlentscheidungen einfordert, kocht der Saal.

Dabei hatte CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer seiner Vorsitzenden eine Inszenierung bieten wollen: Über 1.400 Parteimitglieder erwarteten Merkel in Meyers Heimatstadt Hamm, wo CDU-Oberbürgermeister Thomas Hunsteger-Petermann vor zwei Wochen mit satten 60 Prozent wiedergewählt wurde. Merkel aber stand im Stau und traf erst eine Stunde verspätet ein. Zwar mühten sich Meyer wie NRW-Oppositionsführer Jürgen Rüttgers, die Panne zu überspielen, doch wirkten ihre Reden seltsam hölzern: Brav gab Rüttgers den Wahlkämpfer und lobte den zur Diskussion stehenden Leitantrag des CDU-Bundesvorstands für den Düsseldorfer Landesparteitag im Dezember. Neben leichten Verbesserungen beim Bezug von Arbeitslosengeld sieht er einen Frontalangriff auf den Kündigungsschutz vor.

Meyer versucht, einen großen Bogen zu spannen: Der Generalsekretär spricht über die Notwendigkeit von Deregulierung und Bürokratieabbau, mahnt in Richtung Bayern zur Geschlossenheit – und wirkt doch seltsam nervös: Fast erleichtert kündigt er die Ankunft Merkels an.

Als die Vorsitzende endlich den Saal betritt, bekommt sie zwar Standing Ovations. Meyer aber spricht weiter und weiter. Wenig mitreißend ist dann Merkels von der Basis mit Spannung erwartete eigene Rede: Die CDU-Chefin präsentiert Altbekanntes, spart den Kündigungsschutz vorsorglich aus. Sie hebt auf die Abkopplung der Sozialsysteme von den Lohnkosten ab, verteidigt ihr Konzept einer einheitlichen Kopfpauschale im Gesundheitswesen. „Sozial ist, was Arbeit schafft“, gibt sich Merkel überzeugt.

Ihre Zuhörer begeistert sie nicht. Nachdem Merkel sich gegen den EU-Beitritt der Türkei ausgesprochen und eine „Politik mit Herz“ angemahnt hat, verlässt ein Großteil der Christdemokraten den Saal – auch aus zeitlichen Gründen. Die Reden von Rüttgers, Meyer und Merkel haben über zwei Stunden gefüllt, Diskussionsbedarf hat die Mehrheit der Parteimitglieder nicht mehr.

Vor fast leeren Tischen äußern Unionsmitglieder neben vereinzeltem Lob weitere Kritik: Die CDU habe die Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen verloren, weil „Marktradikale und Neoliberale in der CDU die Oberhand gewonnen hätten“, klagt etwa der Oberhausener CDA-Vorsitzende Hans-Jürgen Nagels.

Merkel verspricht, das zu überprüfen. Kleinlaut bittet sie die Zuhörer, sich weiterhin zu engagieren: „Stellen Sie Änderungsanträge, lassen Sie uns den Entwurf zu unserem gemeinsamen Antrag machen.“