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Archiv-Artikel

Die verflochtenen Entflechter

Manchmal ist ein Bock der beste Gärtner: Kirch-Käufer und Medienmogul HaimSaban lässt sich von einer Kanzlei beraten, in der ein Konzentrationswächter arbeitet

Wenn Haim Saban in der deutschen Hauptstadt absteigt, dann bevorzugt er das Hotel Adlon am Pariser Platz, also direkt am Brandenburger Tor. Mit einer schnellen Limousine sind es von dort nur fünf Minuten bis zum Potsdamer Platz, wo die Anwaltskanzlei Hogan & Hartson Raue residiert – die Saban mit der Abwicklung seines Übernahmegeschäfts in Sachen Kirch-Entrümpelung betraut hat. Kurze Wege allemal, wenn es um die Abstimmung letzter Details geht.

In dieser Großkanzlei arbeitet auch ein Rechtsanwalt namens Christoph Wagner, seines Zeichens ein viel gefragter Referent auf allerlei Medienkongressen. Der noch relativ junge Mann hat lange Zeit gehabt, seine Kontakte in der Szene breit auszubauen. Vom Mitarbeiter der Berlin-Brandenburgischen Medienanstalt über Tätigkeiten im Europaparlament ist er mittlerweile nicht nur in die internationale Kanzlei aufgestiegen, sondern er ist auch seit einem Jahr Ersatzmitglied in der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK). Als solches kommt er dann zum Einsatz, wenn es bei einem anderen Mitglied der KEK Interessenkonflikte gibt.

Und hier wird die Sache pikant: Ein Mensch, der die Konzentration im Medien- und Fernsehbereich überwachen soll, betreut laut Steckbrief im Branchendienst „promedia“ unter anderem „die Übernahme der ProSiebenSat.1 Media AG durch die Saban Capital Group“.

Immerhin geht es in Sachen ProSiebenSat.1 um die größte Transaktion auf dem deutschen Fernsehmarkt. Ein paar Prozent mehr an Zuschaueranteilen, und die KEK müsste sich überlegen, wie Sabans deutsche Beteiligungen zu entflechten wären. Mit Hilfe von Christoph Wagner?

Für Hans-Peter Mailänder, den Vorsitzenden der KEK, ist das kein Problem: „An Beratungen zum Thema ProSiebenSat.1 hat Herr Wagner nicht teilgenommen. Einblick in unsere Akten hat er nicht bekommen. Im Übrigen waren auch schon in der Vergangenheit Mitglieder der KEK gutachterlich für Medienfirmen – auch für Kirch – tätig.“

Und in der Tat gibt es keine einschlägige Formulierung im Rundfunkstaatsvertrag, der den sieben ehrenamtlichen Mitgliedern der KEK eine Tätigkeit für Medienfirmen verbietet. Demgegenüber sind die Vorschriften in den diversen Rundfunkgesetzen und Staatsverträgen sehr viel eindeutiger: Hier dürfen aus Gründen der politischen Hygiene nicht einmal die kleinsten Lichter unter den freien Journalisten Mitglied eines Rundfunkrats einer öffentlich-rechtlichen Anstalt sein, wenn sie denn von deren Geldern leben. Die Kontrolle von Medienmacht aber bleibt umtriebigen Netzwerkern erlaubt. Mehr noch: Sie bekommen von Amtswegen auch Einblick in Akten der Konkurrenz. So könnten die fehlenden einschränkenden Bedingungen für die KEK-Mitglieder sich dereinst vielleicht noch mal als fatal erweisen: Sollte die KEK vielleicht wirklich einmal eine für ein Medienunternehmen schmerzhafte Entflechtungsentscheidung treffen müssen, dann wäre es für gewiefte Anwälte eben ein Leichtes, vom Verwaltungsgericht diesen Beschluss wieder kassieren zu lassen – wegen Befangenheit eines Kommissionsmitgliedes. Aber vielleicht war das vom Gesetzgeber auch so gewollt.

JÜRGEN BISCHOFF