: Gewitter im Handballhimmel
Der trojanische Krieg wurde durch die Frage ausgelöst, wer die Schönste im Götterhimmel sei. Durch Schiedsrichterbestechung gewann eine den Wettbewerb. Ein Drama – ähnlich dem des THW Kiel
VON ROGER REPPLINGER
Es dauerte zehn Jahre bis Troja fiel. Der trojanische Krieg wurde ausgelöst durch die Frage, wer die Schönste im Götterhimmel sei. Die in Frage kommenden Damen versuchten durch Bestechung des Schiedsrichters, Paris, den Wettbewerb zu gewinnen.
Eine der Damen, die holde Aphrodite, versprach Herrn Paris die schönste Frau auf Erden, Helena, wenn er sich für sie entscheide. Was der flugs tat. Um Helene, die Frau des Menelaos, von Beruf König Spartas, hatten vor der Eheschließung alle griechischen Könige gebuhlt. Aphrodite sorgte dafür, dass sich Helena in Paris verliebte. Die beiden flohen nach Troja, der gehörnte Menelaos hinterher. Am Ende bleiben Achilles, Hektor und Paris auf dem Schlachtfeld, viele weitere Helden waren tot, die Götter zerstritten. Sie haben nie mehr zusammengefunden. Troja war zerstört. Menelaos und Helena kehrten nach Sparta zurück. Das wissen wir von Homer und seiner Ilias.
Unser Troja heißt Kiel, unser Homer Hans Leyendecker, unsere Helden heißen Uwe Schwenker, Manager des THW Kiel, Zvonimir Serdarušić, Ex-Trainer des THW Kiel, und Oberstaatsanwalt Uwe Wick. Paris, das sind die nicht unbestechlichen Handball-Unparteiischen. Unsere Götter heißen Nikola Karabatić, Vid Kavtičnik und Thierry Omeyer. Der Zeus ist Jesper Nielsen, ein dänischer Modeschmuck-Unternehmer, der alles ausgelöst aber nichts unter Kontrolle hat. Die Rolle des Schurken hat dankenswerter Weise Nenad V. übernommen. Es gibt auch den Aspekt der Liebe, es gibt auch eine Helena.
Als Uwe Schwenker, der Spiritus Rector des THW, sich von seiner Gattin trennte, um mit einer Jüngeren sein Glück zu finden, da fand das die Gemahlin von Zvonimir „Noka“ Serdarušić, Trainer und Freund des Uwe Schwenker, nicht in Ordnung und sprach hinfort mehr über als mit Uwe Schwenker. Und das schlecht. Die Freundschaft zwischen Serdarušić und Schwenker zerbrach, die Helden Karabatić und Vid Kavtičnik stellten sich auf die Seite des Serdarušić, während Omeyer, der Castor und Pollux des Handballs, in Kiel bleiben will. Der Krieg begann.
Das trojanische Pferd in diesem Krieg ist der Vorwurf, der THW habe seine Erfolge in der Champions League nicht den Göttern, sondern der durch Serdarušić und Schwenker angeleierten Bestechung der Schiedsrichter zu verdanken. Nenad V. soll als Geldbote gedient haben. Ruchbar wurde dies, als die vom Alkohol gelösten Zungen von Schwenker und anderen die Wahrheit sprachen. Es könnte sein, dass darüber die stolze, erfolgreiche Festung THW, das Zentrum des Handball-Weltreichs, geschleift wird, und die Götter künftig woanders auf die Jagd nach Trophäen gehen. Die Trojaner, die Kieler, tun sich schwer mit dieser Angelegenheit. Vom Erfolg verwöhnt, wie sie sind.
Anders als Troja ist Kiel, vor allem wenn es regnet, keine besonders attraktive Stadt. Und es regnet viel. Die Kieler Woche reicht als Ablenkung vom Regen nicht aus. Handball hat in Kiel den Vorteil, dass es in der Halle stattfindet. Der THW Kiel ist die Sonne, die mangels einer anderen, die Stadt wärmt, erhellt, erfreut und mit ihrem schweren Schicksal versöhnt. Von dieser Sonne will der Kieler nicht lassen.
So bricht es aus einem der Trojaner, dem Vorsitzenden des THW-Fanclubs „Zebrasprotten“, Jens C. Santen, heraus: „Nichts dran“, gemeint sind die Vorwürfe. „Nur Gerüchte“, ruft Santen. Der Spiegel und die Süddeutsche, und Homer Leyendecker, haben „keine Beweise für ihre Behauptungen“. Santen spricht von einer „Kampagne“ mit dem Ziel, Kiel „kaputt zu machen“. Es werde der Ruf, der hervorragende, des THW zerstört. Und der der Nationalmannschaft. Der Schaden sei „nicht wieder gutzumachen“.
„Sponsoren“, sagt Santen, werden sich zurückziehen, alles gehe den Bach runter. Das Wasser, da ist es wieder, das Trauma der Kieler. Das Schweigen des Schwenker hält Santen für richtig: „Warum sollte er sich zu Gerüchten äußern, es sind doch jeden Tag neue, und alle sind falsch.“ Die THW-Fans arbeiten an einer Dolchstoßlegende, die, falls an den Verdächtigungen, mit denen sich die Staatsanwaltschaft beschäftigt, etwas dran ist, die Schuld nicht bei den Verantwortlichen des Vereins suchen, sondern bei denen, die sie aufdecken. Homer hatte den Vorteil, dass er kein Augenzeuge war, sondern die Ilias ex post schrieb.
Die Tragödien sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.