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Archiv-Artikel

Polizeisignal leuchtet wieder

Kritische PolizistInnen vor der Wiederauferstehung. Zum Neustart am 23. Oktober soll ein wissenschaftlicher Beirat gegründet werden, um polizeilichen Verschärfungen entgegenzutreten. Interne Konflikte bereinigt, Insolvenzgefahr abgewendet

von kai von appen

Die Wächter über Grundrechte und Ermittler gegen Missstände in der Polizei sind wieder da: Vier Jahre nach der Insolvenzanmeldung der „Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer PolizistInnen – Hamburger Signal“ (BAG) ist der Verein wieder voll geschäftsfähig. Das Amtsgericht Hamburg hat wegen „Wegfalls des Eröffnungsgrundes“ das Insolvenzverfahren eingestellt. „Jetzt haben die Kritischen eine Chance auf einen ‚neuen‘ Start“, freut sich der Hamburger Kripobeamte und BAG-Bundessprecher Thomas Wüppesahl. Die Wiederbelebung soll am 23. Oktober auf einer Mitgliederversammlung in Hamburg formell vollzogen werden, mit einer Neuerung: Ein wissenschaftlicher Beirat aus hochkarätigen ExpertInnen soll die Arbeit des Vereins unterstützen.

Konflikte über grüne Sicherheitspolitik

Der Verein war Ende der 90er Jahre in heftige Turbulenzen geraten. Grund waren unter anderem politische Meinungsverschiedenheiten im Vorstand über die Regierungsbeteiligung der Grünen in Hamburg und auf Bundesebene in Berlin. Die Bewertung der grünen Rolle im Spannungsfeld zwischen der Ausdehnung polizeilicher Befugnisse und der Sicherung von Bürgerrechten verlief alles andere als konfliktfrei. Hinzu kam ein finanzielles Desaster, ausgelöst durch die damalige Berliner BAG-Vize Bianca Müller (CDU).

Müller, die in ihrer Polizeilaufbahn massivem Mobbing ausgesetzt war, startete im Namen der BAG einen Feldzug gegen die vermeintlich Verantwortlichen, und die reagierten mit Klagen: Schadenersatzforderungen und Prozesskosten führten zur Zahlungsunfähigkeit der BAG, so dass Wüppesahl für den Vorstand gezwungen war, die Insolvenz zu beantragen. Das ist jetzt vom Tisch, da der Hamburger Insolvenzverwalter, der Rechtsanwalt Gerd Weiland, die Forderungen – unter anderem des Berliner Ex-Polizeipräsidenten Hagen Saberschinski – nicht anerkannte.

Die Aktiven in der BAG halten ihre Existenzberechtigung für größer denn je. „Wir hatten kurz nach dem 11. September darauf hingewiesen, dass die Informationssperre mehr den Pannen und Anteilen der Geheimdienste geschuldet ist, als einem Sicherheitsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger“, sagt Wüppesahl. Seither gebe es ein Bündel an Gesetzen, Maßnahmen und Verordnungen, die Polizeien und Geheimdiensten weitreichende Befugnisse geben oder – wie in Hamburg – geben sollen, die gravierend in Grund- und Freiheitsrechte der Bürger eingreifen.

Sicherheit durch Schily, Schill und Nagel?

Dazu gehören die Versuche der Hamburger Innensenatoren Ronald Schill und Udo Nagel, das Abhören von Telefongesprächen durch Verschärfungen im Verfassungsschutzgesetz oder, dies der aktuelle Versuch, im Polizeigesetz zu erleichtern, dazu gehören ebenfalls die von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) vorgelegten Sicherheitskataloge („Otto-Katalog I+II“). Dabei könnten selbst zunächst harmlose Projekte wie das elektronische Mautsystem TollCollect im Ausbaustadium ein Element für eine künftige Totalüberwachung sein.

Um ihre Arbeit zusätzlich rückzukoppeln, will sich die BAG einen „Wissenschaftlichen Beirat“ schaffen. Dem sollen Polizeirechtsspezialisten und Juristen ebenso angehören wie Mobbingexperten. Mehrere KandidatInnen stehen bereit. „Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats könnten aber auch selbst aktiv Stellung zu Fehlentwicklungen bei den Polizeien nehmen“, so Wüppesahl. „Ein solches Gremium wäre entsprechend der Zusammensetzung auch in der Lage, Feindbilder, die sich wegen unserer Arbeit in den Reihen der Polizeien entwickelt haben, zu mildern. Vielleicht erleichert es PolizeibeamtInnen auch, bei uns aktiv mitzuarbeiten.“

Die BAG entstand 1986 als Reaktion auf den Hamburger Kessel (Text rechts) zunächst lokal als „Hamburger Signal“. Zu ihren Gründern gehörten der Polizist und spätere GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Manfred Mahr und eben Wüppesahl, der zeitweilig für die Grünen im Bundestag saß. Schnell schlossen sich kritische Polizeibeamte aus allen Bundesländern an, so dass aus dem Hamburger Signal ein bundesweites wurde.