piwik no script img

Archiv-Artikel

Jugend-Orchester von Dschenin aufgelöst

Palästinensische Jugendliche aus dem besetzten Westjordanland musizierten vor Holocaust-Überlebenden in Israel

JERUSALEM taz ■ Das palästinensische Jugendorchester aus Dschenin darf nicht mehr musizieren. Adnan Hindi (Fatah), Chef der lokalen Verwaltung im Flüchtlingslager Dschenin, entschied, die 13-köpfige Musikgruppe aufzulösen, nachdem sie in der israelischen Stadt Holon vor Holocaust-Überlebenden aufgetreten war. Die 50-Jährige Leiterin des Orchesters, Wafa Junis, habe „die Kinder missbraucht“, zitierte die Nachrichtenagentur AP am Sonntag den lokalen Verwaltungschef Hindi.

Die 11 bis 18 Jahre alten Musikanten und Sänger der „Strings of Freedom“ (Saiten der Freiheit), wie sich das Orchester nennt, waren Mitte vergangener Woche in einem Zentrum für Holocaust-Überlebende aufgetreten. Weder die Jugendlichen waren vorab darüber aufgeklärt, vor wem sie spielen würden, noch war das Publikum informiert. Auf dem Programm standen mehrere instrumentale Stücke für Geigen und arabische Trommeln sowie ein arabisches Lied: „Wir singen für Frieden“.

Veranstalter war die Initiative „Guter Wille“, eine freiwillige Hilfsorganisation zur Unterhaltung von Holocaust-Überlebenden, wobei die Initiative zum Konzert offenbar von Orchesterchefin Junis ausging. Die streitbare Dirigentin setzte sich nicht zum ersten Mal für die Verständigung zwischen den beiden Völkern ein. In Dschenin gilt sie als umstritten, nachdem sie eine Demonstration für die Befreiung des in Hamas-Geiselhaft sitzenden israelischen Soldaten Gilad Schalit organisieren wollte.

Das Flüchtlingslager von Dschenin, aus dem die meisten der Jugendlichen stammen, war im Frühjahr 2002 Schauplatz blutiger Kämpfe. Mit Bulldozern und Panzern hatte die israelische Armee ganze Straßen demoliert. Für die jungen Palästinenser war die Fahrt nach Holon eine einmalige Gelegenheit, normale Israelis zu treffen, keine Soldaten oder Siedler. Verwaltungschef Hindi untersagte der Dirigentin jede weitere Aktivität im Flüchtlingslager. „Wir streiten den Holocaust nicht ab“, sagte er, jetzt aber erlitten die Palästinenser „ein ähnliches Massaker“. Dabei seien es „die Juden selbst“, die Gewalt verübten. Hindi forderte, dass das an den Palästinensern begangene Unrecht „zuerst anerkannt wird“. SUSANNE KNAUL