: Im Abschiebeknast ist jeder allein
Behörden verlegen eine Nigerianerin aus dem Abschiebegewahrsam in Einzelhaft, weil sie angeblich „Rädelsführerin“ eines Hungerstreiks war. Initiative kritisiert „unverhältnismäßige“ Isolierung
von FELIX LEE
Der Hungerstreik im Abschiebegefängnis Grünau ist zwar seit gestern zu Ende. Doch wohlbehalten und ganz ohne gesundheitliche Beeinträchtigung, wie es die Polizei in einer offiziellen Meldung behauptet, ist nicht alles vonstatten gegangen.
Zumindest nicht im Fall der 29-jährigen Nigerianerin Rosemary Isaac. Sechs Tage saß sie in einer Einzelzelle in der Gefangenensammelstelle am Tempelhofer Damm. Der Grund: Sie habe zu den Drahtziehern des Streiks gehört und habe mit „körperlichem Einsatz“ ihre Mithäftlinge zur Nahrungsverweigerung genötigt. So lautet zumindest die Version der Polizei.
55 der insgesamt 177 Insassen in Grünau waren vergangene Woche in einen Hungerstreik getreten, um auf ihre miserablen Haftbedingungen aufmerksam zu machen. Sie wollten nicht länger wie Schwerverbrecher behandelt werden und forderten vor allem kürzere Bearbeitungszeiten für ihre Verfahren. Viele von ihnen seien bereits mehr als sechs Monate in Haft, ohne eine Straftat begangen zu haben, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Flüchtlinge. An diesem Streik beteiligten sich alle neun Frauen, die aus Afrika kommen, darunter auch Rosemary Isaac. Dass die Anstaltsleitung ausgerechnet diese neun Frauen als so genannte „Anstifterinnen“ ausmachte – damit hatte die 29-Jährige nicht gerechnet. Noch am selben Abend wurden die neun von den anderen Häftlingen isoliert und in die Gefangenensammelstelle am Tempelhofer Damm gebracht. Auf der Fahrt dahin hat sich Isaac eine Kopfverletzung zugezogen.
Die Isolierung der 29-Jährigen sei „unverhältnismäßig“ und „ungerechtfertigt“ gewesen, sagte Angelika Bode von der Antirassistischen Initiative (ARI). Politisches Engagement rechtfertige noch lange keine Einzelhaft. Dass ausgerechnet die neun Afrikanerinnen beschuldigt wurden, vermittele den Eindruck, „dass diese Anordnungen Ausfluss von rassistischem Denken sind“, sagte Bode. Isaac saß bis gestern Morgen in der Einzelzelle in Tempelhof, die anderen Frauen kamen schon früher wieder zurück nach Grünau.
Isaac sei als „Rädelsführerin“ aufgefallen, widerspricht hingegen Polizeisprecher Hansjörg Dräger. „Klingt blöd“, gibt er zu, aber eine andere Bezeichnung falle ihm nicht ein. Die junge Nigerianerin habe den Hungerstreik nicht nur verbal entfacht, sondern ihre Mithäftlinge regelrecht gezwungen, mitzumachen. Dabei sei sie auch körperlich vorgegangen. Nur deswegen laufe gegen sie eine Strafanzeige wegen Nötigung. Und dies sei auch der Grund, warum sie sechs Tage lang in eine Einzelzelle gesteckt wurde. Claus Guggenberger von der Innenverwaltung fügte hinzu, dass die Einzelhaft der jungen Nigerianerin „ganz allein auf ihr aggressives Verhalten zurückzuführen“ sei. Mit der Teilnahme am Hungerstreik habe ihre Strafe nichts zu tun.
Erst vor einer Woche hatten Juristen und Flüchtlingsinitiativen auf einer Tagung in München erneut eine strikte Trennung von Abschiebehaft und Strafvollzug gefordert. Das bisherige System leiste der Kriminalisierung von Flüchtlingen Vorschub und verstoße zudem gegen grundlegende Persönlichkeitsrechte, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Stefan Kessler vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst kritisierte, dass es an jeglicher Regelung der Abschiebehaft fehle. Das Schicksal der Betroffenen liege weitgehend in der Hand der Ausländerbehörden.