: Lonsdale: Mehr Tradition als die NSDAP
Der Lizenznehmer des britischen Klamottenherstellers Lonsdale, die Firma „Punch“, kämpft von Neuss aus für ein besseres Image der Firma. Der Christopher Street Day und andere Events werden unterstützt. Auch in Schulen klären die Verkäufer auf
AUS NEUSS LUTZ DEBUS
Letzte Woche ging es durch die Presse. Neonazis hatten die zuvor von ihnen so geschätzten Sweatshirts der Marke „Lonsdale“ öffentlich verbrannt, weil die Firma, die jene Bekleidung in Deutschland vermarktet, antirassistische Initiativen finanziell unterstützt. Tobias Heupts ist zuständig für das Marketing bei der Firma „Punch“ in Neuss, die Lizenznehmer von Lonsdale ist. Heupts ist hocherfreut, dass sich die rechte Szene nun endlich mit Feuereifer von den von ihm vertriebenen Produkten verabschiedet. Dahin zu kommen, so Heupts, sei ein weiter Weg gewesen. Schon seit 1993 bemüht sich der Bekleidungshändler, der auch Everlast, Yukuma und Amsterdamned vertreibt, das braune Image loszuwerden. Statements allein zeigten keine Wirkung.
Vor vier Jahren klopfte die Initiative „Augen auf“ an, wollte für ihre antirassistische Arbeit „Lonsdale“ als Sponsor werben. Damit rannte der Verein in Neuss offene Türen ein. Ein Kulturfestival wurde von der Firma aus dem Rheinland großzügig gefördert. An Verkaufsständen konnte man natürlich auch entsprechende Oberbekleidung erwerben. Verein und Firma hatten beide etwas davon. Inzwischen arbeitet Tobias Heupts mit etwa 12 Initiativen und 20 Schulen im ganzen Bundesgebiet zusammen. In diesem Sommer veranstaltete „Augen auf“ mittlerweile zum vierten Mal das Kulturfestival. In Ebersbach, einem 9.000-Seelenstädtchen im Dreiländereck im äußersten Südosten Sachsens, spielten tschechische, polnische und deutsche Bands auf dem Sportplatz vor 10.000 begeisterten Fans. Einige Neonazis waren auch da, blieben wegen intensiver polizeilicher Beobachtung aber weitgehend friedlich. Zudem sponsert Punch die Fußballmannschaft African United in Ratingen und unterstützt den Christopher Street Day, die Homo-Parade in Köln.
Gerne referiert Tobias Heupts vor Schulklassen über die Kleiderordnung der militanten rechten Szene. Tatsächlich blickt Lonsdale auf eine 120-jährige Firmengeschichte zurück. Ende der sechziger Jahre gehörte die Bomberjacke von Lonsdale zur Ausstattung der Skinheads in London. Diese waren zu jener Zeit ein Teil der Protestkultur, proletarisch geprägt, aber nicht zwingend rassistisch. Eine Differenzierung in rechte und linke Skins fand erst später statt. Die deutsche Skinheadbewegung übernahm das Outfit ihrer englischen Vorbilder. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich die Kapuzenshirts von Lonsdale. Denn unter einer geöffneten Jacke getragen, bleibt vom Firmenlogo nur NSDA. Schnell vermutet man Werbung für eine verbotene Partei. Nach dem Vortrag über vermeintlich rechte Marken wie „Fred Perry“ und „Ben Sherman“, die gerne von Nazis getragen, aber nicht von Rechten vertrieben werden, wie beispielsweise „White Power“ oder „Thor Steinar“, verteilt Tobias Heupts noch Warenproben und Poster. Mancher Klassenraum im Wilden Osten sieht mittlerweile aus wie das Schaufenster eines Herrenausstatters.
Ist die Aufregung um ein paar verbrannte Sweatshirts nicht auch eine willkommene Werbung für das Londoner Markenprodukt? Tobias Heupts dementiert nicht. „Wir sind Kaufleute. Natürlich freuen wir uns über solch eine PR-Aktion der rechten Szene.“ Ging es der Firma „Punch“ etwa nur darum, eine vielleicht etwas ärmere Käuferschicht durch eine etwas reichere auszutauschen? „Vom Studenten, Handballer, Klempner bis zum Unternehmensberater, alle sieht man mit Klamotten von Lonsdale. Die allerwenigsten sind Neonazis.“ Genaue Marktanalysen hat Tobias Heupts nicht gemacht. Es ist aber zu vermuten, dass der weltoffene Kunde über mehr Kaufkraft verfügt als der Skin aus der Oberlausitz. In diesem Fall also ist Antifaschismus sogar lukrativ. Die Firma in Neuss kann und will sich aber auch sonst kein rechtes Image leisten. Die 50 Mitarbeiter des Unternehmens gehören 12 verschiedenen Nationen an. Der Geschäftsführer ist Holländer, sein Stellvertreter chinesischer Herkunft. Da sei es doch seltsam, wenn Ausländerfeinde hier ihre Kleidung kaufen, sagt Heupts.
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