: „Wir haben einen gewissen Korrekturbedarf“
Institutsleiter Rupert Graf von Strachwitz findet, dass unsere Gesellschaft Nachholbedarf im bürgerschaftlichen Engagement hat. Vorbild könnten etwa die USA sein. Dort befassen sich 130 Institute mit Zivilgesellschaft
taz: Sind Sie eine Art Beratungsstelle der Zivilgesellschaft?
Rupert Graf von Strachwitz: Wir sind keine Lobbyisten, da wir nicht die Interessen der Organisationen in diesem Bereich vertreten. Wir wollen uns mit dem Thema Zivilgesellschaft und Philanthropie in objektiver Form befassen.
Könnte ein Berliner Projekt sich bei Ihnen Hilfestellung bei der Stiftungsgründung holen?
Da wäre ein Individualberatung nötig, die unsere Schwestergesellschaft, die Maecenata Management Gesellschaft, allerdings gegen Gebühren, erbringen könnte. Aus der ging das Institut ja 1997 hervor.
Die USA ist bei der Erforschung der Zivilgesellschaft ein Modell?
Ja, nicht in inhaltlicher, gewiss aber in der forschungsorganisatorischen Hinsicht. Dort gibt es rund 130 Hochschulinstitute und eine Fülle an Publikationen, die sich aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln mit dem Thema Zivilgesellschaft beschäftigen. Die Amerikaner beherrschen quantitativ und eben auch qualitativ das Feld. Daher ist es ganz dringend, dass wir aus einer europäischen Warte heraus selber etwas produzieren, denn die Verhältnisse und Traditionen sind nicht vergleichbar.
Warum ist das bürgerschaftliche Engagement bei uns nicht so ausgeprägt wie in den USA?
Wir haben aus der französischen Staatsrechtslehre eine sehr starke Dominanz des Staates übernommen. Die ist uns eigentlich noch nie so gut bekommen. Auch nicht heute als Sozialstaat, der auch verflacht und ungerecht sein kann.
Die Europäer halten aber an diesem Modell beharrlich fest.
In Europa ist das Kind mit dem Bade ausgeschüttet worden, da die private Initiative sehr stark reglementiert und unterdrückt wurde, durch Gesetze und Regulierungen. Zum französischen Demokratiemodell der Revolution gehörte, dass es keine Intermediäre zwischen Bürger und Staat geben darf. 100 Jahre später merkte man, dass das nicht funktioniert und für die Gesellschaft nicht gesund ist. In Deutschland war man nie so radikal, aber die gesellschaftliche Kraft der freiwilligen Zusammenschlüsse ist bei uns dennoch nicht so entwickelt, da haben wir einen gewissen Korrekturbedarf.
In der Selbstdarstellung des Instituts steht, die Grundlagenforschung zur Zivilgesellschaft sei vernachlässigt.
Das ist fast schon einem Traditionalismus geschuldet. Das hängt mit der traditionellen Forschungslandschaft in Deutschland zusammen. Anders als in den angelsächsischen Ländern fand das Thema bei uns nicht viel Beachtung. Wir möchten da einen Schritt weiter kommen und diese Lücke schließen.
Der Bundespräsident Horst Köhler scheint Ihr Mann zu sein. Kürzlich kündigte er an, er wolle die Entwicklung der Bürgergesellschaft und des Stiftungswesens zu einem Schwerpunkt seiner Amtszeit machen.
Am nächsten Morgen haben wir dem Bundespräsidenten einen Brief geschrieben und ihm unsere Unterstützung angeboten. Die zuständige Abteilungsleiterin im Bundespräsidialamt war heute bei der Einweihungsfeier anwesend, das ist vielversprechend.
INTERVIEW: A. WOLTERSDORF