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Archiv-Artikel

Polizei sprengt Otto-Versand

Großaktion gegen militantes Neonazi-Netzwerk „Combat 18“ in Schleswig-Holstein und Hamburg, das als bewaffneter Arm der verbotenen Gruppe „Blood & Honour“ gilt. Die Hauptbeschuldigten sind seit Jahren feste Größen der Nazi-Szene im Norden

Das Netzwerk „Combat 18“ soll 1999 Bombenanschläge in London verübt haben

von PETER MÜLLERund ANDREAS SPEIT

In einer groß angelegten Aktion hat gestern die Polizei in Schleswig-Holstein auf Weisung der Staatsanwaltschaften in Kiel und Flensburg wegen Verdachts auf Bildung einer politisch motivierten kriminellen Vereinigung, auf räuberische Erpressung sowie auf Waffenhandel und Versand von verbotenen CDs zum Schlag gegen den Neonazi-Kampftrupp „Combat 18 - Pinneberg“ ausgeholt. Mehr als 300 PolizistInnen stürmten am Morgen landesweit über 50 Wohnungen und Treffpunkte der militanten Szene, die neuerdings enge Verknüpfungen zum kriminellen Rotlicht-Milieu aufgebaut hat. Hauptbeschuldigte sind die Neonazi-Führer Klemens Otto und Peter Borchert sowie drei weitere Beschuldigte. Gegen alle fünf wurden Haftbefehle erlassen.

Schwerpunkte der Razzien waren nach taz-Informationen Pinneberg, Neumünster, Kiel und Flensburg, auch in Hamburg wurden einzelne Objekte aufgesucht. Hinweise auf Aktivitäten einer „Combat 18-Division“ in Norddeutschland gibt es seit Mitte 2000. Damals tauchten öffentliche Morddrohungen gegen den Elmshorner IG-Metall-Chef Uwe Zabel auf, der in der Region das Bündnis „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ initiiert hatte. Zuvor war in dem inzwischen verbotenen Nazi-Magazin Hamburger Sturm der Aufbau von „braunen Zellen“ nach dem „C 18“-Vorbild propagiert worden. Die Zabel-Steckbriefe waren mit „ZOG“ gekennzeichnet, ein Synonym der britischen Terrorgruppe „Combat 18“ für die vermeintliche Bedrohung durch die jüdische Weltherrschaft.

Bei weiteren Farbanschlägen – unter anderem auf das Verlagsgebäude des Pinneberger Tageblatts – und bei Übergriffen nach der vorübergehenden Verhaftung von Klemens Otto – Chef des „Pinneberger Sturms“ – trat Mitte 2001 „Combat 18 PI“ (Pinneberg) erstmals in mehreren kleinen Orten im nördlichen Speckgürtel Hamburgs offiziell in Erscheinung. Schon damals vermutete der Itzehoer Staatsschutz hinter den Aktivitäten Ottos „Kameradschaft Pinneberg“.

„Bei ‚Combat 18‘ handelt es sich um den bewaffneten Arm der im Jahr 2000 verbotenen rechtsextremistischen Gruppe Blood and Honour“, sagt der Sprecher des Kieler Landeskriminalamts, Matthias Henning. Das Netzwerk „Combat 18“ wird für Bombenanschläge 1999 in London auf Homosexuellen- und Ausländertreffs mit sechs Toten und 180 Verletzten veranwortlich gemacht und verfügt auch über Sektionen in Skandinavien.

Nach den Staatsschutz-Erkenntnissen hat Ottos „Kameradschaft Pinneberg“ nun die „direkte Nachfolge“ von „Blood and Honour“ übernommen. Die Gruppe wird für illegalen CD-Handel „im großen Stil“ veranwortlich gemacht und soll dabei von rechten CD-Labels Schutzgeld erpresst haben. Da der wegen Körperverletzung mehrfach vorbestrafte Klemens Otto nach Neumünster umgezogen ist, dort in einem Tattoo-Studio arbeitet, das nach Insider-Informationen der Hell‘s-Angels-Szene zugerechnet wird, hätten sich auch die „Combat 18“-Aktivitäten dorthin verlagert.

Der wegen eines Tötungsdelikts vorbestrafte Peter Borchert, der mittlerweile ebenfalls in Neumünster residiert und den dortigen Nazi-Treff „Club 88“ mitgestaltet hat, steht indes im Verdacht, mit Waffen gehandelt zu haben. Sowohl das Rotlicht-Milieu in Neumünster und Kiel als auch die braune Szene soll der Ex-NPD-Landeschef Borchert beliefert haben.

Bei den Razzien sind vier großkalibrige Revolver, eine Pumpgun sowie eine Schrotflinte beschlagnahmt worden. Innenminster Klaus Buß (SPD) bezeichnete die Polizeiaktion als „einen wichtigen Erfolg“ und sieht die „rechte Szene im Norden nachhaltig geschwächt“.

Siehe auch inland SEITE 7