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Archiv-Artikel

Hochschulen schmeißen sich an Teenager ran

Auf der Jugendmesse „You“ suchen Kids nach Gratiskondomen und Modelkarrieren. 150.000 Jugendliche sind da – und zwei hippe Hochschulen

„Hot Action im philosophischen Proseminar, Wow!“ Oder: „Die Maschinenbau-Vorlesung als Mega-Event. Hau rein, Alter!“ Ob Hochschulen bald so um die besten Abiturienten werben? Ein Besuch der Jugendmesse „You“ am Wochenende in Berlin legte die Vermutung nahe. Unter den Mottos des vermuteten Jugendsprechs lockte die Messe 150.000 Teenager unter den Funkturm. Dort kämpften Handyfirmen, Musiksender und Klamottenmarken um die Aufmerksamkeit der Teenies – und erstmals auch zwei Hochschulen. „Wir wollen hier Studenten werben“, meint Beate Blank von der (Fach-)Hochschule Bremen.

Frühe Kundenbindung heißt so etwas wohl im Marketing. Auf den ersten Blick wirken Hochschulen auf einer Jugendmesse reichlich deplatziert. Im Messegetöse rangeln 13-Jährige um kostenlose Labellostifte und Kondome. Auf mehreren Bühnen testen Nachwuchssänger ihre Superstar-Tauglichkeit. „Weltklasse! Das war echt supermutig, vor fünfhunderttausend Trillionen Leuten zu performen“, flötet eine Moderatorin. Nichts für Germanistik-Profs.

Der zweite Blick aber zeigt, dass Bildungseinrichtungen sich nicht zwangsläufig blamieren müssen. Auch auf Jugendmessen gilt: Viel Aufmerksamkeit für viel umsonst. Die Friseurinnung etwa reüssiert bei den Messebesuchern trotz ihres doofen „Ja zum Meisterbrief!“ – indem sie den Teenagern umsonst die Haare stylt. Die Kids belagern den Stand fast wie das Indoor-Snowboarden nebenan. Und erkundigen sich vermeintlich angeregt nach den Ausbildungschancen bei dem am schlechtesten honorierten Beruf aus der Handwerksrolle.

Die Bundeswehr-Uni gibt sich mit einem Preisausschreiben jugendtauglich. „So kommen wir mit den Jugendlichen wenigstens ins Gespräch“, meint Standleiter Thomas Bocklitz. Die Hochschule Bremen verteilt außer Informationen über ihre Studiengänge nichts. „Wer zu uns will, kommt auch, ohne ein Schlüsselbund geschenkt zu bekommen“, glaubt Beate Blank. Ergebnis des betont unjugendlichen Auftritts: Die Messebesucher rennen am Stand vorbei.

Blanks Glaube, trotz der Reizüberflutung im Messetrubel Informationslücken schließen zu können, ist unerschütterlich. Vielen Schülern, so sagt sie, sei der Unterschied zwischen Bachelor und Master keineswegs klar. Immerhin: Ausbildung scheint in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und verschärftem Numerus Clausus ein Thema zu sein, das Jugendliche auch auf der You beschäftigt. Ein blondes Mädchen nutzt beim Modelwettbewerb ihre herausgehobene Bühnen-Position. „Ich suche noch einen Studienplatz in einem Wirtschaftsfach!“, ruft sie ins Publikum.

Vielleicht sollten Unis einfach Mal Studienplätze verlosen. Das ist sexy. TILMAN WARNECKE