: Vernichtende Ökobilanz für George Bush
US-Umweltorganisationen stellen dem jetzigen Präsidenten der USA ein schlechtes Zeugnis aus und sehen ihn als Vasallen der Industrie. Sie unterstützen deshalb seinen Herausforderer. Doch die wenigsten Amerikaner wählen nach Umweltkriterien
VON MICHAEL STRECK
Für US-Umweltorganisationen ist die Bilanz der Bush-Präsidentschaft eindeutig: George W. Bush ist auf dem Weg, das schlimmste umweltpolitische Erbe der US-amerikanischen Geschichte zu hinterlassen, geißelt zum Beispiel die Leage of Conservation Voters die Politik des Weißen Hauses. Im Wahlkampf unterstützen die Verbände fast ausnahmslos John Kerry.
Nun sind Umwelt- und Energiepolitik keine vordergründigen Wahlthemen in den USA. Auch wenn sich die meisten Amerikaner generell eine sauberere und gesündere Umwelt wünschen, machen die wenigsten ihr Kreuz auf dem Wahlzettel abhängig von den umweltpolitischen Vorstellungen der Kandidaten. Doch Rekordpreise an den Zapfsäulen haben das öffentliche Interesse an alternativen Technologien und Energien wachsen lassen.
Viele US-Bürger lasten die hohen Benzinpreise zudem der Regierung an. Laut Umfragen lehnen 58 Prozent der Amerikaner Bushs Energiepolitik ab. Eine Mehrheit meint, der Präsident vernachlässige den Umweltschutz. Im Klimaschutz erklärte er den Ausstieg aus dem Kioto-Protokoll und wies verbindliche Reduktionen für klimaschädliche Treibhausgase zurück. Seine Begründung: Die Ursachen und Konsequenzen der Erderwärmung seien noch nicht hinreichend erforscht.
Immerhin deutete sich im August eine überraschende Kehrtwende in dieser Haltung an. In einem regierungseigenen Forschungsbericht an den Kongress wurde offiziell anerkannt, dass Kohlendioxid für die weltweite Erwärmung des Erdklimas verantwortlich ist. Bush distanzierte sich jedoch umgehend von diesem Report.
Um die in vielen Regionen des Landes hohe Luftverschmutzung mit Stick- und Schwefeloxiden zu verringern, verkündete Bush ein Programm, das diese Gase aus den Kraftwerksschloten bis zum Jahre 2015 um 70 Prozent reduzieren soll. Der Haken: Es handelt sich um eine freiwillige Maßnahme der Wirtschaft. Kritiker zweifeln daher am Erfolg. Bush kündigte an, Quecksilberemissionen bis 2018 um 70 Prozent zu senken. Umweltverbände sehen darin jedoch lediglich den Versuch, der Industrie eine längere Anpassungsfrist zu erlauben. Denn die Regelung würde existierende Gesetze aushebeln, die eine 90-prozentige Absenkung bereits bis 2008 festlegen.
Der Vorwurf, umweltpolitisch ein Vasall der Industrie zu sein, verfolgt Bush seit seinem Amtsantritt. Er nährte ihn kräftig indem er Umweltstandards aufweichte und umweltpolitisch relevante Regierungspositionen mit jenen Interessenvertretern aus der Wirtschaft besetzte, die zuvor noch gegen strengere Richtlinien geschossen hatten.
Aber es gab auch Fortschritte. In einer der wenigen von Umweltverbänden gelobten Initiativen will die US-Umweltbehörde EPA die Standards für Dieselmotoren verschärfen und deren Emissionen in der Bau- und Landwirtschaft um 90 Prozent verringern. Die Regierung beugte sich überdies dem massivem Protest von Jägern und Naturfreunden und gab ihr umstrittenes Vorhaben auf, am Fuße der Rocky Mountains, in einem der letzten unberührten Lebensräume von Bisons und Bären nach Erdgas zu bohren.
Stünde nun mit einen Wahlsieg Kerrys eine erneute Kehrtwende in Sachen Umweltpolitik ins Haus? Immerhin gilt er als einer der umweltfreundlichsten Senatoren. Viele Schritte, so ein neuer Anlauf im Klimaschutz, würden jedoch von der Machtverteilung im Kongress abhängen. Im Wahlkampf unterscheidet sich Kerry vielleicht am stärksten von Bush, indem er geschickt die Themen Umwelt, Energie und Nationale Sicherheit verknüpft und dafür plädiert, die USA sukzessiv vom Ölimport aus Nahost unabhängig zu machen. Daher unterstützt er die heimische Kohle- und Atomindustrie. Dennoch wirbt Kerry für sein ehrgeiziges Programm, 20 Prozent der US-Stromerzeugung im Jahr 2020 aus erneuerbaren Energien zu erzeugen – ein Projekt, das einer Revolution im energiehungrigsten Land der Erde gleichkäme.