: Ein klassisches Eigentor
betr.: „Mund zu am Totalitarismusinstitut“ (Nach seinem Auftritt bei Scientology: Direktor des Hannah-Arendt-Instituts in Dresden verpflichtet sich zur Zurückhaltung), taz vom 24. 10. 03
Wenn Gerhard Besier und die Scientology-Organisation behaupten, es gebe im Deutschland der Gegenwart Diskriminierung, so mögen sie bitte nachprüfbare Beispiele bringen. Die Behauptung, Scientology werde in den Vereinigten Staaten als Religion anerkannt, wird durch ihre ständige Wiederholung nicht richtiger: Laut Zusatzartikel 1 der amerikanischen Verfassung ist es dem amerikanischen Kongress ausdrücklich verboten, eine Religionsgemeinschaft als etabliert anzuerkennen. Was Scientology als Beleg anführt, ist lediglich eine bedingte Steuerermäßigung, die in den USA nahezu jeder Verein unabhängig vom Zweck erhalten kann, wobei immer wieder Zweifel geäußert wurden, unter welchen Umständen Scientology diese Ermäßigung erhalten hat.
Die „Diskriminierung“ Scientologys in Deutschland beruht schlicht und einfach darauf, dass es keine Religion ist, sondern ein Wirtschaftsunternehmen, das mit der Behauptung arbeitet, eine Religionsgemeinschaft zu sein. Skandalös ist nicht, dass Besier als Privatperson Scientology als Vorkämpferin für religiösen Pluralismus bezeichnet hat – dies mag er in einer Gesellschaft, in der Meinungsfreiheit gilt, tun. […] Aber Besier ist als Direktor eines wissenschaftlichen Forschungsinstituts nicht tragbar, wenn von ihm öffentlich erhobene gravierende Vorwürfe wissenschaftlich absolut nicht zu halten sind. Seine Berufung nach Dresden ist ein klassisches Eigentor für die Bestrebungen, das Hannah-Arendt-Institut wieder zu einer renommierten Forschungsstätte zu machen, um es dann, so einige Strategen, in einem zweiten Schritt in den Dienst der sächsischen Landespolitik stellen zu können. Dass die PDS wiederum – aus bloßer Opposition zur CDU? – sich nun ihrerseits zur Verteidigerin der Religionsfreiheit aufschwingt, ist freilich nur noch skurril. DIETRICH HERRMANN, Dresden