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Archiv-Artikel

Heftiger Streit um das Kreuz im Klassenraum

Italienischer Amtsrichter weist Grundschule an, das religiöse Symbol zu entfernen. Scharfe Kritik von Politikern

ROM taz ■ Kaum jemand in Italien hatte bis zum vergangenen Samstag von dem kleinen Abruzzen-Bergdorf Ofena mit seinen 630 Einwohnern gehört. Doch jetzt beschäftigt Ofena alle, hinauf bis zum Staatspräsidenten, denn das verschlafene Nest steht im Mittelpunkt eines heftig geführten Kruzifixstreits.

Auslöser des Krachs ist das Urteil eines Amtsrichters, der die dortige Grundschule dazu verdonnerte, das bisher an der Wand hängende Kreuz aus den Klassenräumen zu entfernen. Als Kläger in dem Streit trat Adel Smith auf, Vorsitzender einer islamischen Vereinigung, der allerdings außer ihm selbst nur ein paar weitere Mitglieder angehören. Smith ist dennoch in der italienischen Öffentlichkeit gut bekannt, dank regelmäßiger verbalradikaler Fernsehauftritte, die ihm auch schon einmal eine Prügelei vor laufenden Kameras eintrugen, als er auf einen noch erhitzteren Kontrahenten traf.

In Ofena dagegen ist Smith gut bekannt, seit seine beiden Kinder dort die Grundschule besuchen. Smith verlangte sofort die Entfernung des „kleinen Kadavers“ von der Wand, und der Rektor willigte zunächst ein. Doch die erbosten Mammas der anderen Kleinen setzten die Rückkehr des Heilands durch. Darauf ging Smith zum Gegenangriff über und hängte seinerseits eine Koransure neben das christliche Symbol. Als die Sure wieder abgehängt wurde, wandte er sich an die Justiz – und erhielt jetzt in erster Instanz Recht.

Nicht mit der Religionsfreiheit und der Trennung von Kirche und Staat zu vereinbaren sei die Zurschaustellung des Kruzifixes in einer staatlichen Schule, befand der Amtsrichter. Doch so eindeutig ist die Rechtslage in Italien nicht. Einerseits gibt es ein königliches Dekret von 1924, das allen Schulräumen Kruzifixe verordnet. Andererseits hat Italien mit dem Konkordat von 1985 Abschied vom Katholizismus als Staatsreligion genommen.

Der Fall wird die Juristen also noch auf Monate beschäftigen. Für wenige Tage aber beschäftigt er vor allem Kleriker und Politiker, die in teils schrillen Tönen Urteilsschelte treiben. Kardinal Camillo Ruini, Chef der Italienischen Bischofskonferenz, sieht in dem Richterspruch eine „Ermunterung für neue Fundamentalismen“. Zudem beschwert er sich, mit dem Kreuz werde ein Symbol der nationalen Identität Italiens aufs Korn genommen.

Genauso äußert sich die Politik. Mit Ausnahme der Kommunisten geißeln die Mitte-links-Oppositionsparteien das Urteil als falsches Signal. Aber selbst die größeren Moscheevereine und islamischen Vereinigungen sind durchweg auf Distanz zu Smith gegangen und zeigen sich desinteressiert an einem Kruzifixstreit, von dem sie nur Schaden für ihre Sache befürchten.

Am Ende stieg auch Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi in die ziemlich einseitig geführte Debatte ein, erhob ganz wie Kardinal Ruini das Kreuz zum Nationalsymbol und trieb offene Urteilsschelte: Hoffentlich werde die nächste Instanz den Richterspruch revidieren. Derweil hängt das Kreuz, wo es immer hing: Der Schulleiter von Ofena will erst die Zustellung des Urteils abwarten und dann „weitersehen“. MICHAEL BRAUN

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