: Sozis strafen Platzeck ab
Miese Stimmung in Potsdam: Matthias Platzeck (SPD) wird nur knapp im Amt bestätigt. Jeder neunte Abgeordnete der Koalition verweigerte ihm die Stimme. Platzeck kündigt „harte, ehrliche Arbeit“ an
VON STEFAN ALBERTI
Der vor dreieinhalb Wochen so strahlende Wahlsieger musste mindestens einmal schlucken, als gestern erneut die Stimmen ausgezählt waren. Matthias Platzeck bleibt zwar brandenburgischer Ministerpräsident. Doch bei seiner gestrigen Wiederwahl im Potsdamer Landtag auf dem Brauhausberg verweigerte ihm mindestens jeder neunte Abgeordnete der rot-schwarzen Koalition die Stimme. Platzeck erhielt im 88-Sitze-Parlament lediglich 47 Stimmen – nur 2 mehr als notwendig. Die Koalitionäre sind insgesamt 53 – und waren komplett anwesend. „An uns lag’s nicht“, sagte CDU-Fraktionssprecher René Kohl der taz, „da muss die SPD bei sich selbst suchen.“
Platzecks Vorgänger Manfred Stolpe schnitt 1999 deutlich besser ab: Ihm fehlte damals nur eine Stimme aus dem Koalitionslager. Als Ursache für die Wahlpanne gilt Platzecks Personalwechsel nach dem Wahlsieg am 19. September. „Es gibt immer welche, die ihr Mütchen kühlen wollen“, wurde der neue Fraktionschef Günter Baaske zitiert.
Der Ministerpräsident und SPD-Landeschef hatte nach der Wahl erst Baaskes Vorgänger und den parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion abgesägt. Anschließend kippte er die bisherigen Minister Steffen Reiche (Bildung) und Wolfgang Birthler (Agrar und Umwelt). Beide waren zentrale Figuren der Nachwende-SPD: Reiche ist Mitgründer der Ost-Sozis, saß zehn Jahre im brandenburgischen Kabinett, war zudem SPD-Landeschef, Birthler war vor seiner Ministerzeit von 1990 bis 1999 Fraktionschef.
Bei seiner Vereidigung kündigte Platzeck einen Schwarzbrotkurs an. „Ich kann Ihnen keine Wunder für die nächsten Jahre versprechen, aber harte, transparente, ehrliche Arbeit für unser Land“, sagte der SPD-Mann. Aus Berlin gratulierte Parteifreund Klaus Wowereit. Der Regierende Bürgermeister gab sich dabei nett und ging nicht auf die geplatzten Pläne für eine baldige Länderfusion ein. Am Montag hatte er in einem Zeitungsinterview noch Kritik an Brandenburg geübt. SPD und CDU haben das Projekt zwar erneut in ihren Koalitionsvertrag geschrieben, aber ohne den bisherigen Zeitplan. Der sah schon für 2006 eine Volksabstimmung und für 2009 die Fusion vor.
Die Spitzenkandidatin und neue Fraktionschefin der PDS, Dagmar Enkelmann, hatte zu Wochenbeginn 2009 als Datum einer erneuten Volksabstimmung parallel zur nächsten Landtagswahl vorgeschlagen. Ein erster Anlauf 1996 hatte zwar in Berlin, nicht aber in Brandenburg eine Mehrheit gebracht. Im Roten Rathaus hält man nichts von einer Verschiebung – und die Fusion für gestorben: Jedes weitere Jahr stärke ein Heimatgefühl in Brandenburg und schwäche die Chancen eines schon jetzt unbeliebten Projekts.
Brandenburgs Grüne kritisierten den Start der Koalition in ihre zweite Wahlperiode. Sie hatten in Umfragen vor der Wahl überwiegend über der Fünfprozenthürde gelegen und gehofft, nach zehn Jahren Pause wieder in den Landtag einzuziehen. Am 19. September aber erhielten sie nur 3,6 Prozent der Stimmen. Ihr Landeschef Joachim Gessinger sieht im Koalitionsvertrag „kraftlose Unverbindlichkeit und fehlende Zielsetzung“, er vermisst einen Rahmen für erfolgreiche Regierungspolitik.
Für die PDS, die bei der Wahl zwar die CDU als zweitgrößte Fraktion klar ablöste, aber dennoch in der Opposition bleibt, zahlt sich der Wahlerfolg zumindest im Landtag aus. Sie stellt seit gestern den Vizepräsidenten des Parlaments, bisher ein CDU-Posten. Ihr neuer Mann auf dem prestigeträchtigen Amt ist ein alter Bekannter: der PDS-Bundesvorsitzende und bisherige Fraktionschef Lothar Bisky.