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Archiv-Artikel

„Jedes Gespräch wird abgehört“

Für sein Polizeigesetz bekommt der niedersächsische Innenminister von den Grünen einen geflügelten Kürbis, rechtsstaatlich sei es „höchst fragwürdig“, rügt die SPD

Von Ksc

HANNOVER taz ■ „Big Brother Schünemann?“, hatten die Grünen gefragt – und dem niedersächsischen CDU-Innenminister gestern im Parlament einen Kürbis mit drangebastelteten Papierflügelchen überreicht. Der Kürbis passte zwar eher zum drohenden Gruselfest Halloween als zum „Big Brother Award“, den der Innenminister in der vergangenen Woche von Bürgerrechtsgruppen verliehen bekommen hatte (taz vom 25.10.) – aber Politik ist leider manchmal Show.

„Für Show ist unsere Sicherheit viel zu wichtig“, parierte Schünemann, der in der von den Grünen beantragten Aktuellen Stunde das Polizeigesetz verteidigte. Vor allem die darin geplante „vorbeugende Telefonüberwachung“ sei rechtlich problematisch, hatte der Grüne Innen-Experte Hans-Albert Lennartz gerügt. Vom Lauschen ohne konkreten Verdacht sei „kein Mehrwert“ für die Polizei zu erwarten. Außerdem führe das Abhören zur Überwachung von unbeteiligten „Kontakt- und Begleitpersonen“. Eine solche Maßnahme sei „rechtsstaatlich höchst fragwürdig“, betonte auch Ex-Innenminister Heiner Bartling (SPD). Die Polizei müsse „auch im Vorfeld Befugnisse erhalten“, um Extremismus, Terrorismus und Schwerstkriminalität zu bekämpfen“, entgegnete Schünemann. Und: Es sei „absurd“, wenn behauptet würde, „es wird abgehört wie wild“.

Dazu hatte am Tag zuvor der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Jürgen Kühling, bedenklich stimmende Worte gesagt: Das grundgesetzliche verbriefte Telefongeheimnis sei längst durch Polizei- und Geheimdiensttätigkeit „erodiert“, klagte er auf einer Diskussionsveranstaltung der Grünen, der Humanistischen Union, der Holtfort-Stiftung und der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen. „Jedes Telefongespräch“, so Holtfort, werde „bereits heute abgehört – fragt sich nur wie oft“. Auch die im Polizeigesetz geplante Verlängerung der Ingewahrsamnahme von Straftätern auf zehn Tage (bislang vier) schränke rechtsstaatliche Prinzipien weiter ein. Vielleicht sei die Maßnahme aus „polizeilicher Sicht wunderbar“, sagte Kühling. „Aber niemand macht sich klar, was es heißt, zehn Tage im Bau zu sitzen“.

Das Polizeigesetz soll im Dezember ins Parlament. Ksc