WEIL ALLE STEUERSENKUNGEN WOLLEN, MUSS DIE UNIONSSPITZE NACHGEBEN : Nichts als Taktik
Für Bürger und Betriebe werden ab 1. Januar die Steuern merklich sinken. Und zwar so weit, wie Bundesfinanzminister Hans Eichel und die rot-grüne Koalition es beabsichtigen. Trotz des Versuchs von Hessens Ministerpräsident Roland Koch und Fraktionsvize Friedrich Merz (beide CDU), Eichels vorgezogene Steuerreform zu verzögern oder gar zu blockieren, wird die Enlastung kommen.
Der Grund ist machtpolitischer Natur: Die Union kann ihre Klientelen und ihre Anhänger nicht in dem Ziel vereinen, auf einen von der Regierung angebotenen wirtschaftlichen Vorteil freiwillig zu verzichten. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt verlangt die Zustimmung der Union, weil er auf höheres Wachstum und bessere Gewinne für seine Mitgliedsunternehmen hofft. Konzerne wie Infineon kalkulieren schon mit den von Eichel geplanten niedrigeren Spitzensteuersätzen, weil sie ihren Führungskräften geringere Bonusleistungen zahlen können, ohne dass die Manager einen Einkommensverlust hinnehmen müssten. Die CDU-Mittelstandsvereinigung sehnt die Steuersenkung gerade für die kleinen Leute herbei, damit diese ein paar Euro mehr in die Einzelhandelsgeschäfte tragen.
Auch die Ministerpräsidenten der Union, die die wohlhabenden Süd-Länder regieren, freuen sich schon auf die Steuersenkung. Eigentlich haben sie zwar kein Interesse daran, dass die Bürger weniger Abgaben leisten, was ja auch den Bundesländern Verluste beschert. Doch Rot-Grün hat die Steuersenkung in ein Gesetz zusammengepackt mit dem massiven Abbau von Steuervergünstigungen. Diesen aber brauchen die Länder, um ihre Kassen in den kommenden Jahren zu füllen.
Um Angela Merkel und Friedrich Merz eine Blamage zu ersparen, werden die Ministerpräsidenten vielleicht erst zu guter Letzt beidrehen. Aber sowohl die Blockadedrohung als auch die Stilisierung unerfüllbarer Bedingungen zur Gegenfinanzierung haben nur taktischen Charakter. Wer allein auf weiter Flur steht, kann keinen Großangriff reiten. HANNES KOCH