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Archiv-Artikel

EU-Kommissar setzt VW unter Stress

Auch der Autokonzern VW soll vermehrt dem rauen Wind der internationalen Konkurrenz ausgesetzt werden. EU-Kommissar Bolkestein will das VW-Gesetz durch eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof kippen. Entscheidung erst in zwei Jahren

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

Am Ende hat er es doch noch wahr gemacht. Drei Wochen vor Ende seiner Amtszeit hat EU-Binnenmarkt-Kommissar Frits Bolkestein die letzte Sünde auf seiner langen Liste von Verstößen gegen den freien Kapitalverkehr dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt: das VW-Gesetz. Dieses will er nun mit einer Klage zu Fall bringen. „Es ist sehr bedauerlich, dass die anderen Kommissare Herrn Bolkestein nicht daran gehindert haben, sich dieses fragwürdige Denkmal zu setzen“, schimpfte der deutsche Sozialdemokrat Garrelt Duin, ein Europaabgeordneter aus Emden.

Schon im März 2003 hatte die Kommission mitgeteilt, dass sie das VW-Gesetz für unvereinbar mit dem EU-Vertrag hält. Das Gesetz, das auf einen Vertrag zwischen dem Bund und dem Land Niedersachsen aus dem Jahr 1959 zurückgeht, legt fest, dass ein Anteilseigner bei VW nicht mehr als 20 Prozent der Stimmrechte erwerben kann – egal wie viele Aktien er hält. Außerdem kann jeder Anteilseigner, der 20 Prozent besitzt, eine Sperrminorität ausüben. Bund oder Niedersachsen bekommen automatisch zwei Sitze im Aufsichtsrat.

Bisher existiert aufgrund des VW-Gesetzes eine Art Schutzzone für den Konzern. Da die Politiker im Aufsichtsrat immer die sozialen Auswirkungen von Unternehmensentscheidungen im Blick haben, fielen der interne Kostendruck und der Zwang zur Rationalisierung geringer aus als in anderen Autokonzernen. Gibt der EuGH der Klage statt, könnten die ruhigen Zeiten vorbei sein.

Die Kommission ist davon überzeugt, dass die Konstruktion, bei der das Land Niedersachsen in allen Unternehmensentscheidungen das letzte Wort behalten kann, ausländische Investoren abschreckt. Ähnliche Sonderregeln wie die „goldene Aktie“ der französischen Regierung beim Energiekonzern Elf oder das Veto der britischen Regierung bei den Flughafenbetreibern des Landes hatte Bolkestein ebenfalls gekippt.

Im März diesen Jahres setzte er das VW-Gesetz in der Kommission wieder auf die Tagesordnung. Vor allem die deutschen Kommissare Günter Verheugen und Michaele Schreyer stellten sich gegen eine Klage vor dem EuGH. Daraufhin gab der niederländische Binnenmarkt-Kommissar der Bundesregierung zwei Monate Zeit, um seine Bedenken auszuräumen. Da diese Frist inzwischen verstrichen ist, gingen Beobachter davon aus, die Kommission werde das heikle Dossier ihren Nachfolgern vererben. Wird die neue Kommission wie vom neuen Präsidenten Barroso geplant beschlossen, wird sich der irische Finanzminister Charlie McCreevy künftig um den Binnenmarkt kümmern. Auch er gilt als konsequenter Marktwirtschaftler. Allerdings soll Günter Verheugen künftig die Ressorts Binnenmarkt, Wettbewerb und Wirtschaft koordinieren, könnte also mehr Einfluss auf die VW-Entscheidung nehmen als in seiner derzeitigen Funktion als Erweiterungskommissar.

Innere Konflikte zwischen seiner Loyalität zu VW-Kanzler Schröder und zum Binnenmarktprinzip bleiben Verheugen nun erspart. In Luxemburg werden sich die Richter über das Gesetz beugen und prüfen, ob es die Bestimmungen über den freien Kapitalverkehr oder die Niederlassungsfreiheit verletzt. Wie die Kommission betont, hat der Gerichtshof in mehreren ähnlich gelagerten Fällen Klagen gegen Frankreich, Belgien und Portugal bereits stattgegeben. Im nun anhängigen Verfahren wird frühestens in zwei Jahren mit einem Urteil gerechnet.

Der VW-Konzern äußerte sich gestern nur mit dem Hinweis, der Konflikt werde zwischen Kommission und Bundesregierung ausgetragen. Das Unternehmen hatte sich aber um ausländische Investoren bemüht, um deutlich zu machen, dass das VW-Gesetz dafür kein Hindernis darstellt. Der zweitgrößte Anteilseigner, der US-Investmentberater Brandes, hatte seine Beteiligung im Juli auf 10,65 Prozent erhöht. Verhandlungen mit dem Emirat Abu Dhabi waren allerdings kürzlich geplatzt.