Schmachtende Blicke

Neubearbeitung von Bodes „Parzival“-Inszenierung mit Komik und einigen Längen auf Kampnagel

Ja, wie waren sie denn nun, die alten Rittersleut? Wolfram (Kai Möller) erklärt uns das in Andreas Bodes Parzival auf Kampnagel in anschaulicher Pädagogenmanier. Während er seine spärliche Brotzeit auspackt, erklärt er, wie die Ritter damals ganze gebratene Wildschweine auf den Tisch luden und die abgenagten Knochen – und dabei wirft er Brötchenkrümel um sich – auf den Boden schmissen. Klar, dass der aufgeklärte Pädagoge danach ordentlich die Brocken wieder aufsammelt, denn schließlich leben wir ja nicht mehr im unhygienischen Mittelalter. Dann zeigt er, wie die Ritter anno dazumal kämpften. Der Tisch wird zur Burg, der Stuhl zum Pferd. „Also, das glaubt man heute gar nicht, wie groß die Pferde damals waren!“ Und reißt sich die Aktentasche als Schild vor die Brust, um mit einem ausgeklappten Notenständer als Schwert den imaginären Burgberg heraufzustürmen.

Mit dieser amüsanten Einführung ins Ritterleben beginnt Bodes Parzival-Inszenierung. Bereits vor über einem Jahr hat Bode das frei nach Wolfram von Eschenbach bearbeitete Heldenepos als Diplominszenierung auf Kampnagel gezeigt. Jetzt hatte das Stück, komplett überarbeitet mit neuer Musik, vielen neuen Regie-Ideen und teils neuer Besetzung, dort erneut Premiere. Die Hauptdarstellerin ist wieder – zum Glück – Jana Schulz. Ihr Parzival ist ein jugendlicher Rabauke, der vor lauter Kraft und Abenteuerlust nicht weiß, wohin. Mit seiner Mutter Herzeloyde (neu: Charlotte Pfeifer) lebt er im Wald und drängt darauf, endlich die Welt kennen zu lernen. Und die Frauen. Als zufällig eine auftaucht, behandelt er sie wie ein Stück Fleisch, das er sich lustvoll von einer Backe in die andere schiebt.

Da wird es Zeit, dass Wolfram als Alter Ego des Autors Eschenbach den ungeschlachten Kerl in die Kunst der Verführung einweiht. Und wieder beschert uns Kai Möller herrlich komische Momente, wenn er Parzival, mittlerweile zum Ritter geschlagen, seine recht schematische Methode des Augenzwinkerns, demonstrativen Wegguckens und – Attacke – der schmelzenden Blicke lehrt.

Doch bis der Jüngling die Liebe der jungen Königin Condwiramurs (Stefanie Schadeweg) und damit seinen ganz persönlichen Heiligen Gral findet, muss er noch allerlei Kämpfe bestehen. Und das dauert. Zwar nicht mehr zweieinhalb Stunden, aber immer noch viel zu lange. Bode verliert sich in wirren Kampf- und Fechtszenen, die zudem von unmotiviert eingestreuten Songs unterbrochen werden, Eigenkompositionen des Regisseurs. Nichts gegen minimalistische Pianoklänge, doch Bode hätte der Kraft des Wortes ruhig mehr Vertrauen schenken können – das sein spielfreudiges Ensemble entschieden besser beherrscht als die Sangeskunst. Karin Liebe

Nächste Vorstellungen: 31.10., 1.11., 7.-9.11., 19.30 Uhr, Kampnagel