: Boatpeople sind doch meist schutzbedürftig
In Australien erhalten neun von zehn Bootsflüchtlingen mindestens ein Schutzvisum. Die Regierung bleibt hart
MELBOURNE/BERLIN taz ■ Von 9.160 so genannten Boatpeople, die zwischen Juli 1999 und Juni 2002 illegal nach Australien einreisten und dort Asyl beantragten, erhielten 8.260 einen legalen Aufenthaltsstatus. Dies geht aus dem neuesten Jahresbericht des australischen Einwanderungsministeriums hervor, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Die Zahlen widersprechen damit den Aussagen der konservativen Regierung von Premierminister John Howard, die bisher den meisten Boatpeople unterstellt hatte, keine anerkannten Fluchtgründe zu haben.
Dies ist umso pikanter, weil in den Zeitraum des Berichts auch der Konflikt um den norwegischen Frachter „Tampa“ fällt. Der hatte im August 2001 im Indischen Ozean zahlreiche Flüchtlinge von ihrem sinkenden Kutter gerettet, durfte sie aber nicht auf australisches Territorium in Sicherheit bringen. Vielmehr ließ die Regierung die Flüchtlinge in einer so genannten pazifischen Lösung von Kriegsschiffen in den südpazifischen Inselstaat Nauru bringen. Das sollte verhindern, dass die Asylanträge in Australien bearbeitet und die Flüchtlinge dort solange aufgenommen werden müssen.
Canberra verhindert seitdem auch mit Kriegsschiffen, dass Flüchtlingsboote australischen Boden erreichen. Lediglich einmal gelang seitdem 54 vietnamesischen Flüchtlingen die Flucht übers Meer nach Australien. Der harte Kurs wurde damals international kritisiert, half der Regierung aber bei der Wiederwahl. Inzwischen nahm Neuseeland viele der in Nauru internierten Flüchtlinge auf, die letzten überführte Australien kürzlich auf sein Territorium.
Ein Sprecher der neuen Einwanderungsministerin Amanda Vanstone sagte laut AFP, die Zahlen des Berichts würden nicht die ganze Wahrheit zeigen. Denn von den 1.540 Flüchtlingen, die im Rahmen der „pazifischen Lösung“ außerhalb Australiens überprüft worden seien, wäre nur etwa die Hälfte anerkannt worden.
Vanstone sagte dagegen gestern zu Reportern, die Zahlen zeigten, dass Australien längst nicht so flüchtlingsfeindlich sei, wie die internationale Kritik behaupte. „Nun ist die Wahrheit aus dem Sack“, sagte sie zum Bericht. Den wollte sie offenbar nicht als Beleg gegen die auf Abschreckung setzende Politik der Regierung gewertet sehen, sondern vielmehr als Beweis von deren Güte. Es gebe keine Flüchtlingskrise in Australien, so die Ministerin.
Kritiker monieren hingegen, dass die Legalisierung der Boatpeople nur vorübergehend sei. Denn viele erhielten nur ein dreijähriges so genanntes Schutzvisum. Danach können sie deportiert werden. Sie hätten auch keinen Anspruch auf staatliche Gesundheitsdienste und Ausbildungsbeihilfen und Schwierigkeiten, aufgrund der Befristung Arbeit zu finden.
Der Bericht zeigt auch, dass viele Fälle erst vor Gericht entschieden werden. Zurzeit sind in Asylfällen 4.200 Klagen anhängig. Von den 5.000 Fällen, die vergangenes Jahr entschieden wurden, waren zwei Drittel von Flüchtlingen eingeleitet worden. Der frühere Einwanderungsminister Philip Ruddock, der inzwischen Justizminister ist, will jetzt die Möglichkeiten der Flüchtlinge einschränken, vor Gericht Aufenthaltsgenehmigungen durchzusetzen.
BORIS B. BEHRSING, SVEN HANSEN