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Hilfe, Billigbrötchen

Seit drei Jahren setzen Discount-Bäcker alteingesessene Bäckereien unter Druck. Jetzt droht eine neue Konkurrenz: frische Brötchen bei Aldi und Co.

von KATHARINA KOUFEN

Beim Pennymarkt in der Berliner Kochstraße kostet das „frisch gebackene Sonntagsbrötchen“ 15, die Mehrkornvariante 25 Cent. Ein Pfund Brot gibt es ab 85 Cent. „Bitte verwenden Sie aus hygienischen Gründen eine Zange“, steht an den Plastikfächern, aus denen sich die Kunden ihre Backwaren selbst nehmen. Die Kassiererin ist gleichzeitig auch die Bäckerin. Neben dem Brötchenregal steht ein großer silberner Ofen. Dort hinein schiebt die junge Frau alle paar Stunden tiefgefrorene Teiglinge. Ob man das lernen muss? Sie lacht. „Nein, das ist ganz einfach.“ Auf der Ofentür klebt die Gebrauchsanweisung: „Zum Einschalten drücken Sie drei Sekunden lang auf ,ein‘.“

Billigbrötchen sind im Kommen. Die Zahl der Supermärkte mit eigenen Öfen werde bis Ende 2003 um ein Drittel steigen, kündigte der Verband Deutscher Großbäcker gestern an. Doch Billigbäcker in Lebensmitteldiscountern sind für die Konkurrenz ein rotes Tuch. Zum einen für die alteingesessenen Meister der Backkunst. Denn in Zeiten wie diesen, in denen Sparsamkeit angesagt ist, scheren sich viele Kunden wenig um Service und Qualität. Ob der Bäcker morgens um fünf in seiner Backstube Teig knetet, oder ob ein Angestellter des Supermarkts Teiglinge in den Ofen schiebt – das ist vielen Menschen egal.

Zum anderen aber auch für die Billigbäcker, die nicht zu einem Supermarkt gehören und sich seit etwa drei Jahren ausbreiten. Laut Bundeszentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks gibt es 250 bis 300 von ihnen. Einige sind neu entstanden, andere Billigableger von Bäckereiketten. Verglichen mit den 50.000 Bäckereifilialen bundesweit ist das zwar nicht viel, doch: „Die Konkurrenz ist regional sehr unterschiedlich groß“, sagt Hauptgeschäftsführer Eberhard Groebel. Hoher Druck herrscht beispielsweise im Ruhrgebiet. In Hagen verlangt der Billigbäcker Brödis nur neun Cent pro Brötchen und 99 Cent pro Kilo Mischbrot. Groebel: „Damit machen die jeder Bäckerei in der Umgebung Konkurrenz.“ Bisher. Doch der Brotduft bei Discountern wie Penny und Lidl könnte den Markt für die anderen Billigbäcker bald eng werden lassen. Schließlich kauft, wer auf billige Lebensmittel achtet, meistens auch sein Brot billig ein – und am bequemsten gleich im Supermarkt. Derzeit zittert die Branche davor, dass der Discounterkönig Aldi in den Brotmarkt einsteigt. „Das wäre für viele Billigbäcker das Ende“, prophezeit Groebel.

Die alteingesessenen Bäckereien geben sich aber nicht so leicht geschlagen. Ihr Gegenkonzept: Qualität soll wieder ganz oben stehen, der Bäckereibesuch zum „positiven Erlebnis“ werden. „Wir müssen dem Kunden nachweisen, warum bessere Ware auch höhere Preise erfordert“, erklärt Groebel. Das scheint – trotz Spartriebs – Erfolg versprechend. „Eine ganze Reihe von besseren Bäckereien konnte sich so bereits ihr Kundensegment sichern.“ Die 18.000 Betriebe, die noch selbst backen, haben höhere Kosten als die Discounter: Sie müssen die Verkäufer hinter der Theke bezahlen, die Investitionen in Backöfen und Rührmaschinen und die frischen Backzutaten. Das trifft die rund 8.000 Bäckereien ohne Filialen noch einmal mehr.

Viele Billigbäcker und Discounter dagegen kaufen tiefgekühlte Teiglinge, die im großen Stil industriell vorgefertig wurden – aus allen Teilen Deutschlands, aber auch aus Polen, Ungarn, Marokko und Algerien. In den osteuropäischen Ländern sind in den letzten Jahren moderne Großbäckereien entstanden. Dies, so klagt der Bäckerverband, habe zu einer „beträchtlichen Überkapazität geführt“ – und damit zu niedrigen Preisen.

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