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Archiv-Artikel

Kippa mit Batman

Die Leiterin des Jüdischen Museums Rendsburg möchte Klischees aufbrechen und wagt einen Mix aus Ausstellungen renommierter Künstler und alternativen bis soziologischen Präsentationen

Rund 10.000 Besucher kommen jährlich ins Haus – „für die Provinz gar nicht schlecht“

von Esther Geißlinger

Ein hoher Saal, in dem die Stimmen widerhallen. Der Stuck an der Decke ist noch zu sehen, ebenso die Frauenempore in luftiger Höhe und der Platz der Thora-Nische. Das Mobiliar aber fehlt: 40 Jahre lang wurde die ehemalige Synagoge der jüdischen Gemeinde in Rendsburg als Fischräucherei missbraucht. Überlebt haben die Räume, nicht aber ihre Einrichtung. Heute präsentiert sich die Synagoge mit der angeschlossenen Talmud-Thora-Schule und zwei Nebengebäuden als Museum, in dem BesucherInnen weit mehr entdecken können als nur das Gebäude selbst.

„Es war ein Segen, dass der Fischhändler kaum investiert hat“, sagt Frauke Dettmer. „So sind die Räume erhalten geblieben – nur furchtbar klebrig und verräuchert war alles.“ Seit einem Jahr leitet die Volkskundlerin das Haus, seit 1989 arbeitet sie hier und hat „das Profil des Museums geschärft“.

1985, als das Haus eröffnet wurde, übernahm der Rendsburger Kulturkreis die Leitung, eine Gruppe von Kunstinteressierten aus der Stadt. Sie veranstalteten Ausstellungen im ehemaligen Betsaal, auf der Frauenempore und den angeschlossenen Räumen – lange nicht alle gezeigten Werke stammten von jüdischen KünstlerInnen. Frauke Dettmer wurde geholt, um speziell jüdische Aspekte zu zeigen: „Gerade an diesem Ort sollte man etwas Besonderes machen.“ So finden sich nun Gegenstände des jüdischen Glaubens – darunter historische Schächtmesser, aber auch moderne Kippas mit Batman- und Pokemon-Motiven: „Wenn Kinder so etwas sehen, begreifen sie, dass junge Juden sich für die gleichen Dinge interessieren wie sie selbst. Das hebt Stereotypen auf.“

In Rendsburg fällt das nicht schwer: Die Stadt gehörte im 19. Jahrhundert zu den vier „Toleranzorten“ in Schleswig-Holstein. Genau wie in Altona, Glückstadt und Friedrichstadt waren jüdische ZuwanderInnen hier willkommen, sie erhielten Bürgerrechte und durften Schulen und Synagogen bauen. 300 Mitglieder umfasste die Gemeinde, als das heutige Synagogengebäude im Jahr 1845 eingeweiht wurde. Doch die Abwanderung setzte bald danach ein: Als 1863 die Gesetze gelockert wurden und jüdische Familien in anderen Städten siedeln durften, verließen viele den umgrenzten Ortsteil Neuwerk, in dem die Synagoge steht. So gab es 1900 noch rund 60 und 1930 nur 30 Gemeindemitglieder – und als Fritz Ring Mitte der 30er Jahre seine Bar Mitzwa feierte, bekam der Rabbiner mit Mühe und Not die für das Ritual notwendigen zehn Männer zusammen.

Die Geschichte von Menschen wie Ring, der sich heute Fred nennt und in den USA lebt, lassen sich anhand des Museums gut verfolgen: Ihre Namen tauchen auf einer Mauer im stillen Hof zwischen Schule und Synagoge auf, wo sie auf Ziegelsteinen stehen. Die Steine ragen ein Stück vor – dort ist Platz, um nach jüdischer Tradition Steinchen abzulegen. Ihre Gesichter finden sich auf alten Schulfotos, die im Keller des Museums hängen, auf dem Weg zum Ritualbad, das ebenfalls besichtigt werden kann.

In den Ausstellungsräumen im oberen Stockwerk sind weitere Fotos in die Fensterscheiben eingraviert, und viele Gegenstände in den Vitrinen lassen sich Menschen aus Rendsburg und Umgebung zuordnen. Es sind Menschen, die deutsch-bürgerliche Namen wie Hans oder Anneliese tragen – nur dass in ihre Pässe auf einmal ein „Israel“ oder „Sarah“ eingetragen wurde. Zu ihnen zählt auch Dr. Ernst Bamberger, nach dem das Haus benannt ist: Der Rendsburger Arzt ist eins der im Ort prominentesten Opfern der NS-Zeit. Er brachte sich um, bevor er deportiert werden konnte.

Doch das Museum will keine Holocaust-Gedenkstätte sein. Deshalb finden wechselnde Ausstellungen zu verschiedensten Themen statt, zuletzt war Modeschmuck von jüdischen DesignerInnen zu sehen, die in die USA ausgewandert sind; wegen des starken Andrangs musste die Ausstellung sogar verlängert werden. Mit solchen Themen ziehen Frauke Dettmer und ihr Team Gäste ins Haus, die sich nicht in erster Linie für die NS-Zeit oder das Judentum interessieren.

Auch eine Schau mit Fotos von Linda McCartney ist geplant; die Jüdin fotografierte Bands wie die Stones und natürlich die Beatles: „Mein 18-jähriger Sohn sagt, das würde er sich auch ansehen“, sagt Dettmer. Und wer Fotos guckt, wirft meist auch einen Blick in die anderen Räume.

Das lohnt sich durchaus: In einem der Nebengebäude, das die Stadt Rendsburg 1992 dazugekauft hat, sind wechselnde Bilderausstellungen untergebracht, zurzeit sind – noch bis November – Werke von Felix Nussbaum zu sehen. Der Künstler, der 1944 starb, hielt die Greuel der Nazi-Zeit als Totentänze fest, malte auch gleichzeitig lebensbejahende, kraftvolle Bilder. Erstmals ist eine so große Schau dieses Künstlers im Norden zu sehen. „Dank der Stiftung“, sagt Dettmer. Denn seit einem Jahr gehört das Museum zur Stiftung Landesmuseen Schleswig-Holstein – und hat damit weit besseren Zugang zu Kunstwerken als früher, als der Kulturkreis noch Träger war.

Rund 10.000 Besucher kommen jährlich ins Haus, „für die Provinz gar nicht schlecht“, findet Dettmer. Dennoch muss sie immer die Werbetrommel rühren: „Wir sind nicht so bekannt, dass die Leute automatisch wissen, dass es hier immer etwas Spannendes zu sehen gibt.“

Das Jüdische Museum „Dr.-Bamberger-Haus“ in der Prinzessinstraße 7-8 in Rendsburg hat täglich außer Montag von 12– bis 17 Uhr geöffnet. Gruppen können unter Tel.: 04331/252 62 gesonderte Termine vereinbaren