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Archiv-Artikel

„Schamloser Populismus“

Mit einem offenen Brief schaltet sich der Hamburger Filmregisseur Hark Bohm in die Airbus-Debatte ein. Die taz dokumentiert sein Schreiben an alle Neuenfelder. Noch kein Termin für direktes Gespräch zwischen Betroffenen und Bürgermeister

von Hark Bohm

An die Bürgerinnen und Bürger von Neuenfelde

Sehr geehrte Damen und Herren,

eigentlich müsste ich jeder und jedem von Ihnen persönlich schreiben. Das erfordert Geld und Mitarbeiter. Verzeihen Sie daher, wenn ich diese Form wähle.

Ich verstehe die unter Ihnen, die Angst um ihren Arbeitsplatz bei Airbus haben. Aber bevor Sie die Bauern verurteilen, die nicht verkaufen wollen, bitte ich Sie höflich, noch einmal das Folgende zu bedenken.

1. Kein gegenwärtig existierender Arbeitsplatz ist in Gefahr, auch nicht die für die Montage der Rumpfsektionen des A380.

2. Die Auslieferung des A380 würde 100 neue Arbeitspätze bringen (die durch interne Umsetzung besetzt werden können).

3. Falls auch Lackierung und das Einrichten nach Toulouse gehen, entfallen 48 künftige Arbeitsplätze für Lackierung und ca. 250 künftige Arbeitsplätze für das Einrichten. Bisher hat die Geschäftsführung immer behauptet, Lackieren und Einrichten sei ohne Landebahnverlängerung möglich.

Es geht also, wenn man der Geschäftsführung glauben darf, um 100 neue Arbeitsplätze. Sollen dafür die Bauern, die auch Arbeitsplätze schaffen, ihre Höfe aufgeben?

Die Politiker versuchen, die Bauern zu öffentlichen Feinden zu machen. Das Oberverwaltungsgericht hat ihnen aber ausdrücklich bestätigt, dass sie nicht gegen das Wohl der Allgemeinheit verstoßen, wenn sie ihr Grundrecht auf Schutz des Eigentums wahrnehmen. Bitte beachten Sie, dass die Politiker und der Konzern nicht mehr mit akuten Arbeitsplatzzahlen argumentieren. Sie behaupten, die Bauern blockieren die Zukunft des Standorts Hamburg und Deutschland. Mit diesem Totschlagargument fordern sie indirekt die Bewohner von Neuenfelde auf, die Bauern aus ihrer vom Grundgesetz geschützten Rechtsposition zu vertreiben. Das grenzt, nach meinem Verständnis, an schamlose Verhetzung, das ist Populismus pur.

Die Aussicht auf Teilhabe an künftigen Entwicklungen gibt ausdrücklich weder ein juristisches noch ein moralisches Recht, das Eigentum an einer Wohnung, einem Auto oder einem Bauernhof in Frage zu stellen. Kein Mensch kann sagen, ob eine Aussicht oder eine Wahrscheinlichkeit auch Wirklichkeit wird.

Zum Schluss bitte ich, auch die Werksangehörigen von Airbus zu verstehen, die öffentlich sagen, sie hätten Angst um den Arbeitsplatz. Wie würden ihre Vorgesetzten wohl reagieren, wenn sie das Gegenteil sagen würden.

In der Hoffnung, dass Recht bleibt, was Recht ist, mit freundlichen Grüßen, Hark Bohm