Altersmilder Abstrahierer

Der britische Elektronik-Musiker Tom Jenkinson aka „Squarepusher“ ist vor allem für seinen wilden Eklektizismus bekannt. Heute Abend ist der neben Aphex Twin wohl bekannteste IDM-Vertreter im Uebel & Gefährlich zu Gast

Tom Jenkinsons herausragende Kompetenzen liegen nicht in der sozialen Kommunikation. Interviews gibt der Brite, wenn überhaupt, per E-Mail und auch dann beschränken sich viele der Antworten, wenn sie nicht ausdrücklich auf Aspekte seiner Musik zielen, auf: „I don’t know.“ Selbst bei seinem Label Warp soll sich der Unnahbare einst zwei Jahre lang überhaupt nicht gemeldet haben – um dann unerwartet mit einem neuen Album wieder aufzutauchen. Und ein ehemaliger Mitbewohner berichtet, Tom habe, als BBC-Radiomoderatoren-Legende John Peel ihm eine seiner begehrten Sessions anbieten wollte, nicht ans Telefon gehen können, weil es „zu kalt“ gewesen sei.

Irgendwie unnahbar und ein wenig kauzig war auch immer die Musik, die der studierte bildende Künstler unter dem Pseudonym „Squarepusher“ macht. Was wohl vor allem daran liegt, dass Jenkinson beständig neu versucht, alles, was ihn musikalisch interessiert, irgendwie unter einen Hut zu bekommen. Und das ist zumeist selbst nicht wirklich zugängliches Material. Da ist zum Beispiel die Begeisterung für den Jazz, die schon der Vater hatte. Der junge Tom ist beeindruckt von Dizzy Gillespie, Charly Parker und John Coltrane, mit 12 lernt er Bass und Schlagzeug spielen, interessiert sich später für „Weather Report“.

Anfang der 90er dann übt das erste Mal elektronische Musik nachhaltigen Eindruck auf den jungen Tom aus. Nachdem er das Stück „LFO“ der gleichnamigen heutigen Labelkollegen – Pioniere der abstrakt-experimentellen elektronischen Tanzmusik – gehört hat, beginnt er zu versuchen, Techno, Drum’n’Bass, Jungle und Jazz in intelligent-komplexen Stücken zusammenzubringen: zerklüftete, fürchterlich schnelle Beats kombiniert mit Synthesizern und irgendwie jazzigen Basslinien. Wie Jenkinson dabei die Strukturen der Musiktradition zerlegt und zu Kopf und Beine gleichermaßen zu Höchstleistungen herausfordernden Monstern wieder zusammenschweißt, beeindruckt schon bald Richard D. James aka „Aphex Twin“. Der ungekrönte König der abstrakten Tanzmusik nimmt den „Squarepusher“ für sein Label Rephlex unter Vertrag. Der Durchbruch für Jenkinson, der sich bald zwischen Angeboten so einflussreicher Labels wie Ninja Tune und Warp entscheiden kann. Den Zuschlag erhält am Ende Warp, Jenkinson hebt sich selbstbewusst auf die gleiche Ebene wie seine Vorbilder.

Auf Warp veröffentlicht „Squarepusher“ seitdem fast jede Platte, bis heute immerhin 13 Alben und etliche EPs und Singles. Mal pendelt Jenkinson zwischen Acid Techno und dem, was man nicht zuletzt seinetwegen „Drill’n’Bass“ genannt hat: Wer schafft es, noch verschachtelter die Drumcomputer zu programmieren? Mal besinnt er sich wieder auf den 70er-Jazz-Rock und spielt eine ganze Platte größtenteils mit konventionellen Instrumenten selbst ein, dann wieder sind Musique Concréte und Metal dran.

Im letzten Jahr scheint der 34-Jährige ein Stück altersmilder geworden zu sein. Die letzten beiden Veröffentlichungen „Just A Souvenir“ und „Numbers Lucent“ setzen Jenkinsons Mission zwar konsequent fort, geben sich aber viel versöhnlicher und plündern erstmals auch kräftig im Soul-, Funk- und Disco-Erbe. Dazu kann man fast schon richtig tanzen. Wenn man ein wenig Mut zur Akrobatik und frische Beine hat. Vor allem aber einen offenen Kopf sollte man heute Abend haben, wenn Jenkinson sich im Uebel & Gefährlich den bundlosen E-Bass umhängt und auf seinem Laptop beginnt, die Squares zu pushen.

ROBERT MATTHIES

Do, 2. 4., 20 Uhr, Uebel und Gefährlich, Feldstraße 66